Ein letzter Brief von dir (German Edition)
auf der Mailbox informierte sie darüber, dass Marek beschäftigt war, und lud sie ein, ihren Namen und ihre Rufnummer zu hinterlassen. Schon oft hatte er ihren Anruf mitten in dieser Nachricht entgegengenommen, und sie hatte über den Gegensatz zwischen den knappen Sätzen der Aufnahme und dem Schnurren seiner Echtzeit-Stimme gelächelt, über sein zärtliches
moje złotko
. Jetzt fragte sie sich, ob er ihren Namen gesehen hatte und mit Absicht nicht ans Telefon ging.
«Äh, hi, wie geht’s? Ähm, ja, das ist seltsam, oder? Dass wir, also, nicht miteinander sprechen, meine ich. Habe mich nur gefragt, ob es dir gutgeht. Tja, wahrscheinlich schon. Wahrscheinlich geht’s dir besser ohne mich! Ha! Bei mir ist alles okay. Na ja, nicht okay. Nein, nicht okay. Ich bin ein bisschen, also, du weißt schon, ach ja! Ach ja, meine
Sachen
, Marek! Du hast noch Kleinkram von mir bei dir. Ich könnte vorbeikommen und alles abholen, keine große Sache, nur kurz hallo sagen, und dann bin ich schon wieder weg. Weil ich sie nämlich brauche, weißt du, und …»
Ein weiteres Klicken schnitt ihren Satz ab.
«Du blöder Idiot!», wütete Orla gegen sich selbst und feuerte das Telefon von sich. Dann hielt sie sich mit beiden Händen den Kopf. Meine
Sachen
? Die Sachen, die sich von ihr noch im Hinterhaus befanden, beliefen sich auf eine Zahnbürste, Shampoo und ein Taschenbuch. Ihre Nachricht klang, als handelte es sich um Insulin und ein Vermögen in Nazi-Gold.
Vielleicht würde sie ihn zum Lächeln bringen. Vielleicht würde er verstehen.
Und was dann? Zurück auf Los? Marek war zu sensibel, um mehr als einmal bei Los zu starten.
«Poppy war am schlimmsten. Ich meine, für sie hat es mir am meisten leidgetan. Immerhin ist Rob ihr Daddy, und ich bin ihre Aunty. Sie war den ganzen Tag so süß, hat mehr mit dem Geschenkpapier gespielt als mit ihren Geschenken. Mir war ganz übel vor schlechtem Gewissen.»
«Hat Jack mein Geschenk gefallen?»
«Ja, warte mal, was war das noch? Oh! Ja! Der Malkasten! Er hat ihn
geliebt
, Orla. Er hat dir damit schon eine Dankeskarte gemalt. Und Monsieur konnte ich nicht mal ins Gesicht sehen. Oder Fionnuala. Sie hat den ganzen Tag über Rob angeschmachtet. So verzweifelt, sie hofft ganz verzweifelt auf eine Versöhnung.»
«Arme Fionnuala. Und wie war Rob?»
«Na ja … gelassen eigentlich.»
«Eigenartig.»
«Sogar irgendwie befriedigt. Ein bisschen. Es war als, oh,
igitt
, Orla, es war, als hätte es ihm
gefallen
.»
«Ah.»
«Jawohl, ah. Wenn meine arme Mutter einen Blick unter die Tischdecke geworfen und seinen Fuß unter meinem Rock gesehen hätte, wäre sie auf der Stelle tot umgefallen.»
«Das war ein bisschen riskant.»
«Ja.»
«War es …»
«Bizarr? Sehr. Ich meine, hallo, das ist meine Familie!»
«Wie kann ich sagen:
Ich hab’s dir ja gesagt
, ohne zu klingen wie eine blöde Kuh?»
«Du hast es mir gesagt, und du hattest recht. Als er reinkam, dachte ich:
Und wie soll ich mich jetzt davon abhalten, ihm die Kleider vom Leib zu reißen
? Aber die Stunden sind vergangen, und ich habe es vermieden, mit ihm allein zu sein. Einmal hab ich mich im Garten versteckt, um nicht in der Besenkammer seine Körpersäfte zu schlürfen.»
«Und jetzt?»
«Wir haben uns für morgen verabredet. Er hat ein Hotelzimmer gebucht.»
«Für ungezügelten Sex?»
«Ich werde es beenden.»
«Was? Bist du sicher?»
«Machst jetzt du eine Kehrtwendung?»
«Auf keinen Fall. Ich bin begeistert. Er hätte dir garantiert viel Kummer bereitet. Es ist nur, dein Sinneswandel kommt so plötzlich.»
«So plötzlich, wie ich mich in ihn verliebt habe. Er ist ein Symptom, Orla. Weihnachten ist eine gute Gelegenheit, sich über einiges klarzuwerden.»
«Mhm.»
«An Weihnachten steht die Zeit still. Die Welt legt die Beine hoch und
besinnt sich
. Rob ist verliebt in die Liebe. Noch schlimmer, er ist ein Egoist. Ich bin nicht besser. Ich weiß, du hast es netterweise nicht ausgesprochen, aber ich habe mich grässlich benommen. Ich bin noch mal glimpflich davongekommen. Jetzt muss ich es für den Rest meines Lebens an Monsieur und Fionnuala und Poppy und Jack wiedergutmachen, ohne dass sie es überhaupt merken.»
«Du bist wirklich aufgewacht! Willkommen zurück, Dornröschen!»
«Rob war wie ein Pflaster für meine Ehe. Ich habe es ganz falsch angefangen. Ich hätte mich erst um meinen Mann kümmern sollen. Wünsch mir Glück beim Schlussmachen. Rob ist übrigens ein echt mieser
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