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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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berüchtigten, schockierenden Liebesszene zwischen dem Comte de Caylus und seiner Mutter lehnte sich alles in Orla auf. Als hätte ein Folterknecht ihren Kopf in einen Schraubstock geklemmt, sah sie zu, wie Anthea sich aufbäumte und im Orgasmus in Sims Schulter biss.
    Es war obszön. Kein anderer Zuschauer würde diese Meinung teilen, denn die Szene war dezent und erotisch. Aber für Orla war sie geschmacklose Pornographie.
    Als das gefilmt wurde, hatte sich Orla weit entfernt davon selbstzufrieden auf einen Antrag vorbereitet. Sie erwartete halb, dass die Kamera nun auf sie schwenken würde, wie sie in Tobercree ihren Geschäften als Dorfdepp nachging.
    Den Erfolg bei den Kritikern hatte Sim sich nichtsdestotrotz verdient. Er war unwiderstehlich und faszinierend. Sim war – das hatte Orla nie wirklich erfasst – ein guter Schauspieler.
    Aber das war auch schon alles.
    Orla erkannte jede Geste, jeden Blick, jede Marotte. Wie der Comte da am Fluss entlangschlenderte und die Blätter einer Blume abzupfte, um sie ins Wasser zu werfen, war er
ihr
Sim, soweit man ihn noch so bezeichnen konnte.
    Warum habe ich nicht gemerkt, dass er ständig geschauspielert hat?
Sim war bloß eine Zusammensetzung verschiedener einstudierter Eigenarten. Es war nichts Natürliches an ihm. Wie hart er an sich gearbeitet hatte, an dem Wesen, das Sim Quinn sein sollte. Er war sich seiner selbst immer bewusst gewesen, hatte mit einem Auge immer sein Spiegelbild im Blick gehabt. Seine ganze Energie hatte er in diese Schöpfung gesteckt, und sie war perfekt gelungen. Sim wurde beneidet, bewundert, begehrt, genau, wie er es gewollt hatte.
    Aber das war auch alles, was er gewollt hatte.
    Er hatte keinen Kern besessen. Da war kein echter Sim gewesen. Nachdem er von seinen narzistischen und ehrgeizigen Eltern alleingelassen worden war, hatte er sich selbst aus zufälligen hübschen Kleinigkeiten zusammengesetzt.
    Orla weinte um den kleinen Jungen aus Dublin, der angenommen hatte, dass er nicht gut genug war, wie er war.
    Ich habe dich geliebt
, sagte sie in den Fernseher.
Du hättest mir gegenüber echt sein können.
    Gelebt zu haben, ohne je gekannt worden zu sein, schien Orla der schlimmste Streich, den einem das Schicksal spielen konnte.
    Es war schon hell, als der letzte Abspann mit der Widmung für den toten Sim über den Bildschirm lief. Orla war voreilig gewesen, als sie das Ende ihrer Beziehung zu Sim betrauert hatte. Ihr gemeinsamer Weg hielt eine letzte überraschende Wendung für sie parat.
    Sie bemitleidete ihn.

Kapitel einunddreißig
    A ls Bogna die Leiter erklomm, war sie in gewohnter Form. «Erst die verdammte Leiter hoch, um Lametta aufzuhängen. Dann die verdammte Leiter hoch, um Lametta wieder abzuhängen. Und ich kriege keine Überstunden bezahlt, obwohl ich Samstag nach Weihnachten arbeite. Du bist eine verdammte Sklavenantreiberin, Maude.»
    «Sklaven
treiberin
, Liebes», sagte Maude und hielt die Leiter fest, während Bogna nach der Dekoration angelte.
    Orla stemmte sich gegen die Anziehung, die Bogna auf sie ausübte. Jeder harmlose Schnipsel Information über Marek würde sie verletzen. Am besten ließ sie das Gespräch nicht auf ihn kommen, und wenn sie sich noch so sehr danach sehnte zu fragen:
Wie geht es ihm
?
    Irgendwann erwähnte ihn Bogna ganz unbefangen. «Wenigstens entkomme ich durch Arbeit hier meinem schlechtgelaunten Fiesling von Bruder», brummte sie und bestrich sich einen Toast mit Butter.
    Maude und Orla wechselten einen Blick. «Ist er ein Bär mit Poschmerz?», fragte Maude betont beiläufig und stellte einen Oslo-Reiseführer verkehrt herum ins Regal. Sie kam gern auf Bognas originellere Patzer zurück.
    «Nein. Er ist ein Bär mit Scheidenpilz», schimpfte Bogna und warf sich mit ihrer Zwischenmahlzeit der Länge nach aufs Sofa. «Wenn du ihn triffst, musst du ihn aufheitern, Orla. Blas ihm einen oder so.»
    «Reizend», flüsterte Maude und verzog das Gesicht.
    «Bin mal kurz oben.» Orla flog förmlich in ihre Wohnung. Bognas anschauliche Schilderung eines unglücklichen Marek, der nicht erwähnt hatte, dass zwischen ihnen Schluss war, machte ihr Mut. Vielleicht war nicht Schluss. Vielleicht war nur Pause.
    Bevor sie den Mut verlieren konnte, schnappte sie sich ihr Telefon und wählte Mareks Nummer. Sie saugte ihre Lippen ein, bis sie nicht mehr zu sehen waren, und dachte nicht nach. Denken verschob sie auf den Moment, in dem er ans Telefon ging.
    Es ertönte ein herzloses Klicken. Die Nachricht

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