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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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Wohnzimmer, das von den Straßenlaternen in ein seekrankes Gelb getaucht war, und knabberte an ihren Fingernägeln. Neben ihr stand unberührt ein Glas Wein. Maudes Einladung hatte Orla heute ausgeschlagen. Sie wollte lieber allein am Fenster sitzen und über Sim nachdenken.
    «Schweinehund», flüsterte sie und hielt die Valentinskarte an ihre Wange. Das war ein Luxus, den sie sich nur selten erlaubte, weil sie wusste, dass es den Umschlag beschädigen konnte. «Wie viele andere Witwen müssen mit einem überlebensgroßen Papierklon ihres verstorbenen Mannes fertigwerden, der anzüglich auf sie herunterschaut?»
    Das Universum, das sich in letzter Zeit geradezu selbst übertroffen hatte, zeigte ihr einmal mehr, wie gemein sein Humor sein konnte. Orla gönnte sich einen Kuss, einen ganz keuschen, den sie auf die flache rosafarbene Vorderseite des Umschlags drückte. «Ich liebe dich.» Sie genoss die Worte, genoss es, dass sie sie auch so meinte. «Ich liebe dich wirklich, Sim.»
    Der Schönheitsfleck faszinierte sie. Er war genau über dem Lippenbogen platziert, dort, wo Sims Lächeln von unschuldig zu wissend wurde. Dieser Bogen hatte Orla unzählige Male zu Unsinn angestiftet. Er hatte sie wieder ins Bett getrieben, obwohl sie hatte joggen gehen wollen, hatte sie dazu gebracht, die letzte Episode ihrer Lieblingsserie zu verpassen, hatte viel versprochen und ebenso vieles gehalten. Hier war er, und alle Welt konnte ihn sehen. Vergrößert und verschönert, direkt an der Hauptstraße.
Diese Lippen gehören mir, verdammt noch mal!
    Sie trank einen Schluck Wein, der sie gleichzeitig betäubte und wärmte, und erinnerte sich daran, dass Sim vor der Kamera ja nur spielte. Orla sagte zur Valentinskarte: «Aber wenn du mich angesehen hast, hast du es ehrlich gemeint. Ich hätte es sofort gemerkt, wenn du nur so getan hättest als ob.»
    Nicht dass
er
es immer gemerkt hätte, wenn Orla nur so tat als ob. Der ständige Skype-Sex, den sie miteinander hatten, ließ sie noch nachträglich vor Scham schaudern. «Du Dussel», sagte sie liebevoll zur Valentinskarte und legte sie sich behutsam auf den Schoß.
    «Du hast wirklich geglaubt, dass ich es toll finde, wie ein Clown in roter Unterwäsche vor der Kamera zu sitzen und zu sagen, dass ich sehr unartig war und du mir den Hintern versohlen sollst. Herrje, Sim, jetzt kann ich dir ja sagen, dass ich einfach nicht die Frau für nippelfreie BHS bin. Die klemmen mir alles ab. Und unten offene Slips finde ich einfach lächerlich. Aber du hast so lange gebettelt – ja, das brauchst du jetzt gar nicht abzustreiten, du hast verdammt noch mal gebettelt –, und als ich dann meine Verlegenheit überwunden hatte, war es ein bisschen wie Hausarbeit.» Sie streichelte die Valentinskarte und seufzte. «Es war einfach nicht das Wahre. Es war nicht so, wie wenn ich dich in meinen Armen gehalten hätte.» Bei diesen Worten schnürte es ihr die Kehle zu. Sie kam in letzter Zeit nicht gut mit romantischen Worten zurecht. Schon ein platter Popsong konnte sie unversehens zum Weinen bringen. «Erinnerst du dich …» Jetzt flüsterte sie, denn das hier war privat. «Erinnerst du dich, wie es für uns war?»
    Orla erinnerte sich. Sie war von Sim geöffnet worden. Von ihrer eigenen Lust auf ihn. Von seiner unbekümmerten Sexualität, seiner ständigen Bereitschaft zu spielen. Von Sim Quinn berührt und genommen zu werden war eine Erinnerung, die sie ihr ganzes Leben lang wärmen würde. Orlas Sexualität war plötzlich direkt, unmittelbar,
Spaß
. Sie liebte es, erst auf das Bett und dann auf ihn zu springen. Bevor Sim in ihr Leben getreten war, hatte sie Leidenschaft vorgespielt und reagiert, hatte auch Spaß mit ihren Liebhabern gehabt, war aber niemals in die Tiefen vorgedrungen, hatte niemals wahre Leidenschaft erlebt.
    Es fühlt sich so rein an mit dir
, hatte Sim in ihren frühen Tagen gesagt. Er hatte sie mit einem Milchmädchen verglichen und sie eine Weile lang auch so genannt. Er hatte oft gescherzt:
Habe ich etwa das Glück, ein freches kleines Milchmädchen auf dem Weg vom Pub nach Hause zu treffen? Du meine Güte, es sieht ganz so aus.
    «Also weißt du», erzählte sie der Valentinskarte, «die sexy Unterwäsche und diese ganze Verbalerotik haben mir nie was gebracht.» Sie war eigentlich erleichtert gewesen, als die Skype-Kamera kaputtging. Orla hatte auf sexuellem Gebiet keine dunkle Seite. Sie bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, ob Sim sein Milchmädchen vielleicht allzu

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