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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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mühsam einen Fuß vor den anderen. Sie wusste, ihre Nase war preiselbeerrot, und ihre Knie schmerzten von einem spektakulären Sturz, über den Marek beinahe schallend gelacht hätte. Er riss sich zusammen und half ihr auf, aber seine Grübchen verrieten ihn.
    «Schau.» Marek streckte beide Arme aus, glitt hinter sie, sodass sie sich auf ihn stützen konnte, und nahm ihre Hände in seine. «Ich halte dich. Lehn dich an. Ich falle nicht um.»
    Und los ging es. Sie stolperte, fing sich wieder. Seine Körperspannung verriet eine Stärke, auf die er nicht zurückgriff, die er aber jederzeit abrufen konnte. Orla war zu beschäftigt damit, auf den Beinen zu bleiben, um einen Blick auf sein Gesicht zu werfen, aber sie wusste, es war heiter, mit diesem Schmollmund, der es nie zu ernst aussehen ließ.
    Wovor hast du Angst?,
fragte sie sich.
Und würdest du die Angst je zugeben?
    «Wie viel?», quietschte sie, als das Mädchen in der Starbucks-Schürze ihr eine Zahl nannte. Sie zog ein paar Banknoten aus ihrem Portemonnaie und warf ein wachsames Auge auf ihre Studenten. Diese waren gerade vergnügt dabei, nachzuäffen, wie Orla ihre Namen aussprach.
    Sie waren es wohl wert.
     
    «Ich bin leider schon wieder so gut wie weg, Maudie.» Mit schlechtem Gewissen steckte Orla ihren Kopf durch die Tür in Maudes Adlerhorst.
    «Leider?» Maude reckte fragend den Kopf und stellte den Fernseher leiser. Sie hinterließ kaum einen Abdruck in ihrem Nest aus Sofakissen. «Warum leider, Liebes?»
    «Ich war diese Woche nicht viel hier.»
    «Besser so!» Maude lachte über Orlas Betroffenheit. «Mach nicht so ein Gesicht. Du weißt, ich schätze deine Gesellschaft sehr, aber ich müsste ein Herz aus Stein haben, um dir deine neue Romanze zu missgönnen.»
    Orla trat ins Zimmer, in Mantel und Schal und mental schon halb bei Marek. «Bist du sicher, dass es dir gutgeht?»
    «Ich bin doch keine Porzellanpuppe.» Maude stellte den Fernseher wieder lauter.
    «Warum gehst du nicht ein bisschen vor die Tür? Ein bisschen frische Luft würde dir …»
    «Was mir guttun würde, wäre weniger Geschwätz.» Maude sah Orla aus ihren hyazinthenblauen Augen ausdruckslos an. «Husch, husch», fügte sie hinzu.
    Die ganze Fahrt über machte sich Orla Gedanken um Maude. Die Frau kam derzeit überhaupt nicht mehr nach draußen.
    Die Sorgen waren allerdings schnell verflogen, als sie sich wenig später mit Marek auf der Küchenanrichte wiederfand. Eine weiße Porzellanschüssel mit filigranem Muster krachte zu Boden. Keiner von ihnen bemerkte es.
    «Ich liebe dich», sagte Marek hinterher, als sie aneinandergeklammert standen wie die Überlebenden einer Schiffskatastrophe. Er lehnte sich gerade weit genug zurück, um ihr in die Augen zu sehen. Seine eigenen sahen erschöpft und glücklich aus. «Wirklich, Orla. Ich liebe dich.»
    Orla öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, spürte sie seinen Finger auf ihren Lippen.
    «Du musst jetzt nichts sagen», flüsterte er und küsste sie ohne Eile. «Ich wollte es nur mal aussprechen.»
     
    «Meine Schüler würden sich zu sehr amüsieren, wenn ich morgen in denselben Klamotten auftauche.» Das Hinterhaus lag am späten Abend still und gravitätisch da, es wehte eine leichte Brise. «Geh rein, Hoppelhase. Du holst dir noch den Tod.»
    «Alles gut.» Marek hatte die Arme um sich geschlungen und zitterte in seinen Boxershorts und dem T-Shirt. «Bring nächstes Mal Wechselsachen mit, ja? Es fühlt sich an wie ein Vorwand, um abzuhauen.»
    «Warum sollte ich das wollen?» Orla trat auf ihn zu und lehnte den Kopf zurück, ein Angebot, das er annahm. «Ich liebe deine Bettfrisur.»
    «Oh je.» Marek fasste verlegen in seine Keith-Richards-Locken.
    «Ich mag dich zerzaust. Erst recht, wenn ich dich so zugerichtet habe.»
    Sie küssten sich erneut, schwankend.
    Orla wusste, dass ihr die Ponyfransen in die Augen hingen und das Mascara ihr Rorschachflecken auf die Wangen gemalt hatte, außerdem war ihre Nase vermutlich knallrot. Sie war erfüllt von Dankbarkeit dafür, dass Marek sie liebte, noch wenn sie sich am unwürdigsten, am wertlosesten fühlte.
    Aber wie konnte diese Verzauberung anhalten? Denn verzaubert musste er wohl sein. Orla war eine Reservespielerin. Sim hatte sie in- und auswendig gekannt, sie in der Praxis erprobt und war zu dem Schluss gelangt:

.
    Ein metallisches Schnurren kündigte das um die Ecke biegende Taxi an.
    «Schreib mir eine SMS , wenn du zu Hause bist.» Marek räusperte sich.

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