Ein letzter Brief von dir (German Edition)
«Du hättest mich von dem dritten Glas abhalten sollen. Dann hätte ich dich gefahren.»
«Der Taxifahrer sieht für mich nicht wie ein Mörder aus, Marek.»
«Das sind die Schlimmsten.» Er steckte den Kopf in den Wagen und gab dem Fahrer Orlas Adresse. «Hast du Bargeld?», fragte er Orla, richtete sich auf und klopfte auf seinem T-Shirt und der Unterwäsche herum, als könne sich daran irgendwo ein einzelner Zehner befinden.
«Jaja, hör auf damit, hier Wirbel zu machen, und geh ins Bett. Ich schreibe dir. Gute Nacht.»
Sie beobachtete, wie er sich dagegen entschied, es noch einmal zu sagen, und sie stattdessen keusch auf die Stirn küsste und ihr hinterherwinkte. Aber Orla wusste trotzdem, dass er sie liebte, als das Taxi über das Kopfsteinpflaster holperte und dann auf eine glattere, breitere Straße einbog.
Das Taxi hielt an einer Ampel. Sie stellte sich vor, wie Marek barfuß auf das Rechteck aus Licht seiner Haustür zuhuschte. Dann lehnte sie sich vor und klopfte gegen die Scheibe, die sie von dem Fahrer trennte.
«Also, Planänderung», sagte sie und nannte ihm eine Straße in Primrose Hill.
Kapitel dreiundzwanzig
E s wird langsam Zeit, findest du nicht? Meine Mutter kann Jack für ein paar Tage nehmen. Du hörst dich an, als stündest du mitten auf der Straße.»
«Ich habe Probleme mit diesem Telefon.»
«Sprich lauter! Warum flüsterst du? Es wäre nett, wenn ich bei der Betreuung seines eigenen Sohnes auf Monsieur zählen könnte, aber er wird im Büro gebraucht, bla, bla, bla.»
«Er ist ein ranghoher, wichtiger Typ, Ju. Hör mal, können wir das morgen besprechen? Ich bin ein bisschen erledigt …»
«Ich kann dich kaum hören. Also, welches Wochenende ist gut für dich? Ich will am Wochenende kommen, damit ich möglichst viel von dir habe. Keine Angst, ich ziehe nicht bei dir ein. Ich leiste mir ein Hotel. Du kannst mich dann besuchen und auf dem Bett hüpfen und die Minibar plündern. Ich führe dich schick zum Essen aus. Vielleicht ins Maze! Mir würde das nächste Wochenende aus den verschiedensten Gründen
perfekt
passen.»
«Mir leider nicht. Ich bin nicht da.»
«Nicht da? Hast du mir nie erzählt. Wo denn? Oh, wegen Marek? Fährt er mit dir weg?»
«Nein, es ist ein College-Ausflug nach … Whitstable.»
«Und das Wochenende darauf?»
«Äh, nein, da muss ich mich um Maude kümmern.»
«Inwiefern?»
«Es geht ihr nicht gut, und sie muss operiert werden.»
«Was ist das für eine Operation?»
«Was Kleines … an ihrer, äh …»
«Weißt du, du kannst es mir auch einfach sagen, wenn du nicht willst, dass ich komme.»
«Beruhige dich, Schätzchen. Ich hab nur viel zu tun, das ist alles.»
«Zu viel zu tun, um mich zu treffen? Du hast nie zu viel zu tun, um dich mit mir zu treffen. Jedenfalls war das früher so. Ich muss mit dir reden, Orla.»
«Juno, bitte lass uns das morgen klären. Ich muss los. Wir finden einen Termin. Ich vermisse dich auch, weißt du?»
«Wirklich?»
«Ja. Also …»
Orla verstummte, als vor dem Haus nebenan Licht anging. Sie legte auf, duckte sich und hoffte, dass sie in ihrer schwarzen Kleidung von der dunklen Hecke verschluckt würde.
Pfotengetrappel kündigte einen kleinen Hund an, der vor seiner Besitzerin her in das winzige, mit Mülltonnen vollgestellte Rechteck hinauslief, das Londoner Makler, ohne die Miene zu verziehen, als Vorgarten bezeichneten.
Als sie sich weiter in ihr Versteck hineinlehnte, wurde Orla von einem spitzen Ast in die Wange gestochen und unterdrückte gerade noch ein «Au».
«Mach Kacka für Mami!» Das hörbare Flüstern kam von einem unsichtbaren Wesen auf der Eingangsterrasse. «Kacka! Mach schon! Es ist eiskalt! Kacka für Mami!»
Sie kauerte sich noch tiefer, kniff die Augen zu und vermied jede Bewegung, damit die stachelige Hecke sie nicht durch Rascheln verriet. Zu spät verwünschte sie sich dafür, sich keine Lügengeschichte ausgedacht zu haben. Wenn Mamis Kacka nicht kam und die Frau in ihre Richtung sah, konnte Orla keinen vernünftigen Grund dafür angeben, warum sie in der Hecke vor einem leerstehenden Haus stand. Die Frau könnte die Polizei rufen. Zumindest würde sie einen Riesenschreck bekommen.
Zum Glück erfolgte die Entleerung des Hundes unverzüglich. Orla war bald wieder für sich und konnte sich auf die Nummer neunundvierzig auf der gegenüberliegenden Straßenseite konzentrieren. Orla war kalt. Ihre Handschuhe konnten es mit einer Dezembernacht nicht aufnehmen.
Sie hätte jetzt
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