Ein Lied für meine Tochter
erklärt:
1. Der Kläger ist der biologische Vater dieser ungeborenen Kinder, die während einer heterosexuellen, gottgewollten, konstitutionellen Ehe gezeugt worden sind, und zwar zum Zwecke der Erziehung in einer heterosexuellen, gottgewollten, konstitutionellen Ehe.
2. Nach der Zeugung dieser ungeborenen Kinder sind die Parteien geschieden worden.
3. Seit der Scheidung führt die Beklagte einen ungehörigen, abartigen, homosexuellen Lebensstil.
4. Die Beklagte hat die Klinik kontaktiert, um in den Besitz der ungeborenen Kinder zu gelangen zum Zwecke der Einpflanzung in ihre lesbische Geliebte.
»Zoe?«
Vanessa klingt, als wäre sie tausend Meilen weit entfernt. Ich höre sie, kann mich aber nicht bewegen.
»Zoe?«, sagt sie erneut und reißt mir das Papier aus den Händen. Ich öffne den Mund, doch es kommt kein Ton heraus. Solch einen Verrat kann man mit Worten nicht beschreiben.
Vanessa blättert durch die Papiere. »Was ist das denn für ein Müll?«
»Das ist von Max«, sage ich. »Er versucht, uns unser Baby wegzunehmen.«
Vanessa
Kurz nach Thanksgiving 2008 gestand eine Frau auf dem Sterbebett die Ermordung zweier Mädchen zweiundvierzig Jahre zuvor, die sie immer wieder gemobbt hatten, weil sie eine Lesbe war. Sharron Smith war in eine Eisdiele in Staunton, Virginia, gegangen, wo sie alle beschäftigt gewesen waren, und hat erklärt, sie könne am nächsten Tag nicht zur Arbeit kommen. Laut Polizeibericht führte dann eins zum anderen, und sie hat die beiden jungen Frauen erschossen.
Ich weiß nicht, warum sie eine automatische Pistole dabeihatte, als sie in die Eisdiele gegangen ist, aber ich verstehe ihr Motiv – besonders jetzt, wo ich hier stehe und diese lächerliche Klage von Zoes Ex in der Hand halte.
Eine Klage, in der ich als ›ungehörig‹ und ›abartig‹ beschrieben werde.
Mich überkommt ein Gefühl, von dem ich geglaubt habe, es im College hinter mir gelassen zu haben, als ich von den Mädchen ein Freak genannt worden bin, die nicht aus ihren Umkleidekabinen kommen wollten, weil sie Angst hatten, ich würde sie anstarren, und als so ein Schwein mich beim Abschlussball in eine dunkle Ecke gezerrt und begrapscht hat, weil er mit seinen Freunden gewettet hatte, er könne mich zu einer ›richtigen Frau‹ machen. Ich wurde dafür bestraft, dass ich die war, die ich bin, und ich wollte immer nur eines darauf erwidern: Was interessiere ich euch überhaupt? Warum kümmert ihr euch nicht einfach um euch selbst? Doch ich habe es nie gesagt; ich habe immer nur geschwiegen, bis mir die Kehle vor lauter Schweigen brannte.
Aber auch wenn ich Gewalt in keinster Weise gutheiße, so wünschte ich mir in diesem Augenblick doch, ich hätte Sharron Smiths Eier.
»Ich werde diesen Hurensohn anrufen. Sofort!«, verkündet Zoe.
Ich habe sie noch nie so wütend gesehen. Ihr Gesicht ist dunkelrot, die Tränen laufen ihr über die Wangen, und sie knirscht mit den Zähnen. Zoe drückt so fest auf die Nummerntasten, dass ihr das Mobilteil aus der Hand fällt. Ich hebe es auf, schalte den Lautsprecher ein, und lege es auf die Arbeitsplatte, sodass wir beide zuhören können.
Um ehrlich zu sein, bin ich überrascht, dass Max abhebt.
»Ich kann nicht mit dir sprechen. Mein Anwalt hat gesagt …«
»Warum?«, unterbricht ihn Zoe. »Warum tust du mir das an?«
Es folgt eine lange Pause – so lang, dass ich schon glaube, Max hat aufgelegt. »Ich tue dir nichts an, Zoe. Ich tue das für unsere Kinder.«
Als wir das Besetztzeichen am anderen Ende der Leitung hören, packt Zoe das Mobilteil und schleudert es durch die Küche. »Er will doch noch nicht einmal Kinder«, schreit sie. »Was hat er denn mit den Embryonen vor?«
»Ich weiß es nicht«, antworte ich, aber mir ist klar, dass es Max womöglich nicht um die Babys geht. Es geht ihm um Zoe und um das Leben, das sie lebt.
Mit anderen Worten: Er will sie für das bestrafen, was sie ist.
Plötzlich sehe ich meine Mutter vor meinem geistigen Auge. Ich sehe, wie sie einmal in Tränen ausgebrochen ist, als sie mich zum Arzt gebracht hat, weil ich geimpft werden sollte. Ich war fünf oder so, und ich hatte große Angst vor Nadeln. In Erwartung der Schmerzen habe ich den ganzen Morgen lang hyperventiliert, und schließlich habe ich mich dann auch verkrampft und gewunden, um der Arzthelferin zu entkommen. Das Schluchzen meiner Mutter ließ mich jedoch sofort innehalten. Immerhin war es ja nicht so, als hätte sie die Spritze bekommen.
Wenn es
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