Ein Lied für meine Tochter
der Familie gerne verführen. Er hat die Tatsache erwähnt, dass Rhode Island als Staat auf dem Prinzip der Religionsfreiheit gegründet wurde, und dem stimmen wir selbstverständlich voll und ganz zu. Aber wir wissen auch, dass nicht alle Einwohner von Rhode Island den Glauben von Mr. Preston und seinem Mandanten teilen.« Nun dreht auch sie sich zur Galerie herum. »Außerdem erkennt Rhode Island die Beziehung zwischen Zoe und Vanessa durchaus an. Seit nunmehr fünfzehn Jahren räumt der Staat gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eingeschränkte Rechte ein. In eben diesem Gericht hier werden homosexuellen Paaren regelmäßig Adoptionsrechte zugesprochen. Und tatsächlich war Rhode Island einer der ersten Staaten in diesem Land, wo auf der Geburtsurkunde keine geschlechtsspezifischen Bezeichnungen mehr zu finden waren, kein Vater oder Mutter , sondern Eltern .
Im Gegensatz zu Mr. Preston glaube ich allerdings nicht, dass es bei diesem Fall um Familienwerte im Allgemeinen geht. Ich denke, es geht um eine ganz spezielle Familie.« Sie schaut zu Zoe hinüber. »Die Embryonen, über die wir heute entscheiden, sind während der Ehe von Zoe und ihrem geschiedenen Mann Max Baxter entstanden. Diese Embryonen sind Eigentum, das während des Scheidungsverfahrens nicht aufgeteilt wurde. Es gibt zwei biologische Erzeuger dieser Embryonen – den Kläger und die Beklagte –, und beide haben die gleichen Rechte an ihnen. Der Unterschied ist nur, dass Max Baxter gar kein Baby haben will. Er missbraucht die Biologie nur als Trumpf, um die Embryonen dem anderen Elternteil und ihrer Lebenspartnerin wegzunehmen. Wenn Sie, Euer Ehren, zugunsten meiner Mandantin entscheiden, dann werden wir alles Erdenkliche tun, um den anderen biologischen Erzeuger – Max – in die Familie einzubinden. Wir glauben, dass ein Kind nie von zu vielen Menschen geliebt werden kann. Entscheiden Sie jedoch gegen meine Mandantin, Euer Ehren, dann wird die Mutter dieser Embryonen nie Anteil an der Erziehung der Kinder haben.«
Sie deutet auf Zoe. »Euer Ehren, im Zeugenstand werden Sie von medizinischen Komplikationen hören, die es Zoe unmöglich machen, ihre eigenen Embryonen auszutragen. An diesem Punkt in ihrem Leben kann man ihr keine weiteren Eizellen entnehmen. Zoe, die sich so sehr ein Baby wünscht, wird dieser Chance beraubt, und zwar von ihrem geschiedenen Mann, der noch nicht einmal ein Kind haben will. Er kämpft nicht für das Recht, Vater zu sein. Er kämpft dafür, dass Zoe keine Mutter wird.«
Angela Moretti schaut dem Richter in die Augen. »Mr. Baxters Anwalt hat viele Fragen gestellt, die Gott betreffen. Was will Gott? Und wie sieht für Gott eine Familie aus? Doch Max Baxter bittet hier nicht um Gottes Segen. Er bittet Gott nicht darum, Vater werden zu dürfen. Und er fragt Gott auch nicht, was das Beste für die Embryonen ist.«
Sie dreht sich zu mir um, und in diesem Moment kann ich kaum noch atmen. »Max Baxter will selbst Gott spielen«, sagt sie.
Im Zeugenstand zu sitzen, sagt Pastor Clive, ist genau, wie vor der Gemeinde zu beichten. Man geht einfach hinauf und erzählt seine Geschichte. Dabei ist es egal, wie demütigend oder unglaublich alles ist. Wichtig ist nur, dass man vollkommen ehrlich ist, denn nur so lassen sich Menschen überzeugen.
Pastor Clive ist einer der Zeugen, die dort draußen in Gott weiß was für einer Vorhölle warten, und ich wünschte von ganzem Herzen, er wäre hier. Ich könnte seine Kraft im Augenblick gut gebrauchen, damit ich mich auf jemanden konzentrieren kann, wenn ich im Zeugenstand bin. So jedoch wische ich mir ständig die Hände an der Hose ab, weil ich so sehr schwitze.
Was mich jedoch beruhigt, ist der Sheriff, der mit der Bibel auf mich zukommt. Zuerst glaube ich, er wolle mich bitten, eine Passage vorzulesen, doch dann erinnere ich mich daran, wie jeder Prozess beginnt. Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit? Ich lege die Hand auf den abgegriffenen Ledereinband, und sofort hört mein Herz auf zu hämmern. Du bist nicht allein da oben , hat Pastor Clive gesagt, und er hat tatsächlich recht.
Wade und ich haben meinen Part gut ein Dutzend Mal geprobt. Ich weiß, welche Fragen er mir stellen wird, darüber mache ich mir also keine Sorgen. Was mich jedoch verrückt macht, ist das, was geschehen wird, wenn er fertig ist und Angela Moretti damit beginnen wird, mich in Stück zu reißen.
»Max«, beginnt Wade, »warum haben Sie bei diesem Gericht
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