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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Klinik auszugeben, beteten er und Liddy viel.
    Zoe sagte, Dr. Gelman habe eine höhere Erfolgsquote als Gott.
    Wie sich herausgestellt hat, habe ich eine Spermienkonzentration von sechzig Millionen. Das klingt viel, nicht wahr? Aber wenn man ihre Form und Schnelligkeit betrachtet, bleiben plötzlich nur noch vierhunderttausend übrig. Und auch das scheint noch eine große Anzahl zu sein. Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie müssten den Boston Marathon zusammen mit neunundfünfzig Millionen Besoffenen laufen. Da wird es plötzlich verdammt schwer, die Ziellinie zu erreichen. Zusammen mit Zoes Fruchtbarkeitsstörungen waren wir dann ziemlich schnell beim Thema ›Künstliche Befruchtung‹.
    Und dann ist da die Geldfrage. Ich weiß nicht, wie manche Leute es schaffen, eine künstliche Befruchtung ganz aus eigener Tasche zu bezahlen. Ein Schuss kostet fünfzehntausend Dollar, einschließlich der Medikamente. Zum Glück leben wir in Rhode Island, wo die Versicherungsgesellschaften verpflichtet sind, verheiratete Frauen zwischen fünfundzwanzig und vierzig bei Empfängnisschwierigkeiten zu unterstützen. Trotzdem mussten wir jedes Mal dreitausend Dollar für frische Embryonen zahlen und sechshundert Dollar für gefrorene. Auch eine direkte Einspritzung des Spermas in ein Ei wird nicht von der Versicherung gezahlt. Das schlägt mit fünfzehnhundert Dollar zu Buche. Das Einfrieren der Embryonen wiederum kostet tausend Dollar und die Lagerung achthundert Dollar pro Jahr. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Versicherung hin oder her, auch ohne den finanziellen Albtraum der letzten Runde sind wir inzwischen pleite.
    Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wann genau alles aus dem Ruder zu laufen begann. Vielleicht beim ersten Mal, vielleicht aber auch beim fünften oder fünfzehnten, als Zoe die Tage bis zu ihrem nächsten Zyklus zählte, zu mir ins Bett kroch und sagte: »Jetzt!« Unser Sexleben ähnelte dem Thanksgiving-Dinner in einer zerrütteten Familie: Es bestand Anwesenheitspflicht, Spaß machte es jedoch nicht. Vielleicht begann es aber auch, als wir in die Klinik gingen und ich einzusehen begann, dass Zoe alles tun würde, um schwanger zu werden. Aus ihrem Kinderwunsch war Besessenheit geworden. Oder vielleicht hat es begonnen, als mir klar wurde, dass Zoe und das Baby auf der einen Seite standen und ich irgendwie zum Außenseiter geworden war. In meiner Ehe gab es schlicht keinen Platz mehr für mich – außer als Genspender.
    Viele Leute reden darüber, was eine Frau durchmachen muss, wenn sie kein Kind bekommen kann. Doch nach den Männern fragt nie jemand. Nun, dann will ich Ihnen mal was sagen: Wir kommen uns wie Verlierer vor. Aus irgendeinem Grund schaffen wir nicht, was anderen Männern gelingt, ohne dass sie es überhaupt wollen … was andere Männer mit den unterschiedlichsten Vorsichtsmaßnahmen sogar verhindern wollen, jedenfalls meistens. Ob es nun stimmt oder nicht, ob es nun meine Schuld ist oder nicht, die Gesellschaft betrachtet einen Mann anders, wenn er keine Kinder hat. Im Alten Testament gibt es ein ganzes Buch, in dem nur steht, wer wen gezeugt hat. Selbst männliche Sexsymbole wie David Beckham, Brad Pitt oder Hugh Jackman sind im People Magazine meist mit einem ihrer Kinder auf den Schultern zu sehen – und ich muss das wissen, denn ich habe so ziemlich jede Ausgabe in den Wartezimmern der Kliniken gelesen. Wir mögen ja im 21. Jahrhundert leben, aber wenn man ein richtiger Mann sein will, dann muss man sich fortpflanzen.
    Ich weiß, dass ich mir das alles nicht ausgesucht habe. Ich weiß, dass ich mich nicht unzulänglich fühlen sollte. Ich weiß, dass das eine Krankheit ist, und hätte ich einen Herzinfarkt erlitten oder mir ein Bein gebrochen, dann wären eine Operation oder ein Gips völlig in Ordnung. Warum also ist mir das so peinlich?
    Weil das nur ein weiterer Beweis auf einer langen, langen Liste ist, die belegt, was ich für ein Versager bin.
    Im Herbst hat man als Gärtner nicht mehr ganz so viel zu tun. Ich räume Laub beiseite und stutze Rasen für den Winter. Ich schneide Bäume und Sträucher, damit sie im Frühling wieder blühen, und es ist mir sogar gelungen, ein paar Kunden davon zu überzeugen, dass man jetzt noch etwas pflanzen kann – vor allem roten Ahorn, der dann im Frühling einfach eine spektakuläre Farbe hat. Aber vor allem muss ich im Herbst die Jungs entlassen, die ich während des Sommers eingestellt habe. Für gewöhnlich behalte ich ein,

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