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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zurückkommst.«
    Vielleicht sollte ich das tatsächlich öfter tun. »Ich weiß nicht, Jack«, erwidere ich. »Ich werde mal darüber nachdenken.«
    »Nimmst du auch Wünsche entgegen?«
    Ich drehe mich um und sehe Vanessa neben meinem Hocker stehen.
    »Sorry«, sagt sie.
    »Welche Version? Die von Brenda Lee oder die von Buckcherry?« Ich warte, bis sie neben mir auf den Hocker geklettert ist und sich einen Drink bestellt hat. »Ich werde gar nicht erst fragen, wie du mich gefunden hast.«
    »Du hast den einzigen leuchtend gelben Jeep in der ganzen Stadt. Selbst ein Verkehrshelikopter könnte dich finden.« Vanessa schüttelt den Kopf. »Du bist nicht die Erste, vor der Lucy weggelaufen ist, weißt du? Sie hat das Gleiche schon beim Psychiater abgezogen.«
    »Das hättest du mir sagen können …«
    »Ich hatte gehofft, dass es diesmal anders sein würde«, sagt Vanessa. »Wirst du wieder zurückkommen?«
    »Willst du denn, dass ich wieder zurückkomme?«, frage ich. »Ich meine, wenn du nur jemanden brauchst, den Lucy wieder sitzen lassen kann, dann könntest du auch irgendeinen Teenager für ein Taschengeld anheuern.«
    »Beim nächsten Mal werde ich sie am Stuhl festbinden«, verspricht Vanessa mir. »Und vielleicht sollten wir sie dann mal zwingen, dieser Lady dabei zuzuhören, wie sie Celine Dion malträtiert.«
    Sie deutet auf die Frau mittleren Alters, deren Karaoke-Karriere ich so abrupt beendet habe. »Bist du schon so lange hier?«, frage ich.
    »Ja. Warum hast du mir nie erzählt, dass du so gut singen kannst?«
    »Du hast mich doch schon hundert Mal singen gehört …«
    »Wenn du bei der Werbung mitsingst, kann man nicht wirklich dein ganzes Spektrum erfassen.«
    »Früher bin ich hier mehrmals in der Woche aufgetreten«, erzähle ich ihr. »Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß das macht.«
    »Dann solltest du es wieder tun. Ich werde auch immer da sein, damit du nie vor einem leeren Saal spielen musst.«
    Der ›leere Saal‹ erinnert mich an die Therapiesitzung, die meine Patientin so unvermittelt abgebrochen hat. Ich schlinge den Arm um den Hals meines Gitarrenkoffers, als wäre er ein Schild. »Ich habe wirklich geglaubt, Lucy würde sich mir öffnen. Ich fühle mich wie ein Versager.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Ach ja? Und wie siehst du mich?«
    »Nun ja«, beginnt Vanessa langsam, »ich denke, du bist der interessanteste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Jedes Mal, wenn ich glaube, dich durchschaut zu haben, lerne ich etwas Neues, das mich wieder überrascht. Wie zum Beispiel letztes Wochenende, als du mir erzählt hast, du hättest eine Liste mit all den Orten, von denen du dir wünschst, du hättest sie besucht, als du noch jünger warst. Oder dass du früher immer Star Trek geschaut und die Dialoge auswendig gelernt hast. Oder dass du die nächste Sheryl Crow bist, wie ich gerade gehört habe.«
    Mir steigt das Blut in die Wangen, und mir ist schwindelig, obwohl ich sitze. Als ich noch mit Max verheiratet war, habe ich nicht viel getrunken – zuerst aus Solidarität, dann aufgrund der erhofften Schwangerschaft –, und deshalb vertrage ich auch nicht viel. Ich greife über Vanessa hinweg zu den Servietten, und die feinen Härchen auf meinem Handgelenk streichen über den Seidenärmel ihrer Bluse. Das lässt mich erschaudern.
    »Jack«, rufe ich den Barkeeper, »ich brauche einen Stift.«
    Jack wirft mir einen zu, und ich falte die Serviette auf und schreibe die Zahlen Eins bis Acht darauf. »Wenn du ein gemischtes Band zusammenstellen würdest«, frage ich, »was für Lieder wären dann drauf?«
    Ich halte den Atem an und glaube schon, dass Vanessa gleich lachen und vielleicht sogar die Serviette zerknüllen wird, doch stattdessen nimmt sie mir den Stift aus der Hand. Als sie sich über die Bar beugt, fallen ihr die Haare über ein Auge.
    Ist dir je aufgefallen, dass die Wohnungen anderer Menschen immer einen ganz bestimmten Geruch haben? , habe ich gefragt, als ich Vanessa zum ersten Mal besucht habe.
    Bitte, sag jetzt nicht, meine riecht nach etwas Furchtbarem wie Bratwurst oder so.
    Nein , habe ich geantwortet. Es riecht sauber. Nach Sonnenschein auf den Laken. Dann habe ich sie gefragt, wie mein Apartment riecht.
    Weißt du das nicht?
    Nein , habe ich erwidert. Das kann ich auch nicht wissen, weil ich dort lebe. Für mich ist das zu alltäglich.
    Es riecht wie du , hat Vanessa erklärt. Wie ein Ort, den niemand je verlassen will.
    Vanessa kaut auf ihrer Lippe, während sie

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