Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
Übriges.
Der mit edlem Holz vertäfelte Raum, in dem es nach Lavendelpolitur duftete, wurde von einem munteren Kaminfeuer erwärmt. Den Boden bedeckten Orientteppiche und dämpften das Ticken einer großen Standuhr. Alles kündete von über Generationen erworbenem Reichtum.
Reich war Clarissa nicht, doch sie war von bester Abstammung, und sie besaß Stolz. Zwar stieg ihr das Blut heiß in die Wangen, aber ihre Augen funkelten den Butler kämpferisch an, und sie dankte ihm in hochmütig-eisigem Ton.
Wie schon den Mietkutscher verwirrten ihre kultivierte Ausdrucksweise und ihr Auftreten auch den Butler. Wesentlich ehrerbietiger sagte er: „Lord Rasenby erwartet Sie, Madam. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“
Ein rascher Blick in den Spiegel bestätigte Clarissa, dass sie eine gute Figur machte. Keines ihrer eigenen Kleider wäre für diesen Anlass elegant genug oder auch modisch genug gewesen, deshalb hatte sie heimlich eins von Amelias Abendkleidern genommen. Es war ihr ein wenig zu weit, da sie schlanker als ihre Schwester war, doch verbarg der lose Überwurf aus zartblauer Seide diesen Mangel. Leider entblößte das Dekolleté für ihren Geschmack mehr Haut, als ihr lieb war. Amelias Beispiel folgend hatte sie ihre Röcke angefeuchtet, sodass der zarte Stoff, der im Kerzenlicht fast durchsichtig wirkte, sich an ihre schlanken Beine schmiegte. Ihr kastanienfarbenes Haar hatte sie zu einem griechischen Knoten aufgesteckt, aus dem einige lange Locken über ihre Schultern fi elen. Sie hatte nicht gewagt Rouge aufzutragen, da sie fürchtete, aus mangelnder Übung zu viel des Guten zu tun, aber vor Aufregung waren ihre Wangen sowieso rosig überhaucht.
Jetzt oder nie, sagte sie sich, betrat hoch erhobenen Hauptes den Salon und schritt Lord Rasenby mit ausgestreckter Hand anmutig entgegen. Er stand mit dem Rücken zum Kamin und sah sie erwartungsvoll an. Schlicht gewandet in einen hervorragend geschnittenen dunkelblauen Rock, hellen Beinkleidern und glänzenden Hessenstiefeln, gab er sich betont leger. Er nahm ihre Fingerspitzen und hauchte einen Kuss darauf, dann musterte er sie unverfroren.
„Nun, Miss … Wexford, sagten Sie?“ Seine spöttisch gehobenen Brauen verrieten deutlich, was er von dem Namen hielt. „Sie überraschen mich gleich doppelt.“
„So, Sir? Und inwiefern?“ Von seiner Gegenwart ein wenig überwältigt, trat sie ein paar Schritte zurück. Unbewusst reckte sie herausfordernd ihr Kinn.
„Ja, in der Tat.“ Also war die falsche Miss Wexford ein wenig nervös. Nun, das wunderte ihn nicht – mit ihm allein zu speisen war eine Kühnheit sondergleichen, und er bewunderte ihren Mut. „Zuerst einmal, weil Sie tatsächlich gekommen sind, und dann wegen der vollkommenen Schönheit, die Sie mir heute offenbaren.“
Clarissa errötete. Zwar musste sie sich selbst eingestehen, dass sie in Amelias eleganter Toilette wirklich gut aussah, doch da sie keine besonders hohe Meinung von ihrem Äußeren hatte, fand sie, Rasenby trüge mit seinen Komplimenten zu dick auf. Sie knickste leicht und entgegnete: „Danke, Sir, sehr gütig. Zumindest habe ich nun die Gewissheit, dass Sie mein Angebot nicht mit Widerwillen anhören werden.“
Kit, aufs Neue leicht verwirrt, lachte. Sie war schön, wenn auch nicht wie die strahlend blonden Schönheiten, die gerade in Mode waren. Ihr Haar wirkte im Kerzenschein wie glänzendes Kupfer, auf dem feurige Funken tanzten. Ihre smaragdgrünen Augen waren zu groß, zu aufmerksam und blickten irritierend ehrlich. Ihr üppiger Mund mit der vollen Unterlippe zeigte nicht den perfekten Amorbogen, den man zurzeit für schön hielt, doch Kit fand ihn viel sinnlicher. Und dieses Kinn – entschlossen und herausfordernd zugleich. Sie war eindeutig keine dieser schmachtenden Damen, sondern besaß eine gehörige Portion wahres Feuer.
Gut, dass er sich auf dieses heimliche Treffen eingelassen hatte. Es würde bestimmt nicht langweilig werden, sich mit Miss Wexfords Vorschlägen zu beschäftigen. Da er gerade heute die Vorbereitungen für seine letzte Frankreichfahrt getroffen hatte, war er dankbar für die Ablenkung. Wie sehr er diese Abenteuerfahrten vermissen würde! Schon fürchtete er, dass er vor Langeweile wieder reizbar bis zur Kampflust werden und neuen Lastern verfallen würde. Was letztlich ebenso in Langweile mündete.
So ganz nebenbei hatte er heute Charlotte du Prés ausgezahlt. Von daher war Miss Wexford genau zum rechten Zeitpunkt aufgetreten – was sie
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