Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
Nur ein paar Tage noch, dann wird sich alles entscheiden, so oder so.“
„Jedenfalls wird er sich nicht in eine Ehe locken lassen, das schlag dir aus dem Kopf“, sagte Clarissa nüchtern. „Dazu ist er viel zu gewieft. Bist du sicher, dass er so verrückt nach dir ist, wie du behauptest?“
„Natürlich, so etwas erkenne ich immer.“ Aufreizend warf sie ihr blondgelocktes Haupt in den Nacken. „Ich habe ihn an der Angel, und glaub mir, da bleibt er auch, bis er mir seinen Ring angesteckt hat.“
„Dazu wird es nie kommen, versichere ich dir. Aber was ist mit dir, Amelia, wie kannst du nur eine Ehe in Betracht ziehen, die auf Lug und Trug gründet?“
Wieder lachte Amelia verächtlich. „Was kümmert es dich? Nicht du wirst betrogen. Er verdient es nicht anders. Du weißt schon, was du nicht willst, das man dir tut …“
„Nein, er betrügt nicht, er sagt ehrlich, was er verlangt. Deshalb verdient er eine solche Behandlung nicht.“
„Was redest du, Clarrie? Du kennst ihn doch nicht einmal persönlich. Sag, was weißt du?“
Erst beim misstrauischen Tonfall ihrer Schwester fi el Clarissa ein, dass sie ihre Pläne geheimhalten musste. Aber ihr schien, dass sie nun, anstatt Amelia vor Lord Rasenby zu retten, ihn vor Amelia retten müsste. Wie hatte ihre Loyalität sich so verschieben können?
„Nein, ich kenne ihn nicht, nur seinen Ruf. Aber soweit ich hörte, sagte er seinen Eroberungen offen, was sie zu erwarten haben. Und in eine Ehe gelockt zu werden, verdient er so wenig wie jeder andere. So etwas kann nur Unheil bringen. Für beide Seiten, Amelia, ist dir das nicht klar? Liebes, du wärest todunglücklich.“
„Mein Gott, man kann einfach nicht mit dir reden, Clarrie! Du bildest dir ein, so praktisch veranlagt zu sein, aber im Grunde bist du unglaublich romantisch. Kein Wort mehr über die Angelegenheit. Übrigens kam ich nur, um zu fragen, ob du mit mir ausgehen möchtest. Edward hat zum Lunch eine Stunde frei, und er sagte, er würde vielleicht an die Luft wollen, in den Park. Ich dachte, wir könnten ihn da treffen. Komm mit, Clarrie. Du wirst ihn bestimmt mögen.“ Amelia sprach schmeichelnd und versöhnlich, doch ausnahmsweise mochte Clarissa nicht nachgeben.
„Nein, ich will mit deinen Machenschaften nichts zu tun haben. Offensichtlich soll Edward ebenfalls deinen Ränken zum Opfer fallen.“
Noch ehe Clarissa den Satz beendet hatte, war Amelia trotzig hinausgerauscht.
Wieder allein, dachte Clarissa noch einmal gründlich nach. Sie war sich sicher, dass Amelia mehr für Edward empfand, als sie zugeben wollte, und ihn ermutigen würde – wäre da nicht das vertrackte Geld. Wenn man also die Versuchung in Form von Rasenby entfernte, würde Amelia Mr. Brompton häu fi ger treffen. Er schien ein zupackender junger Mann zu sein, der hoffentlich die Chance nutzte, Amelia an sich zu binden. Im schlimmsten Fall könnte ich immer noch Rasenby von Amelias Plänen unterrichten, dachte Clarissa. Jedenfalls würde sie nicht tatenlos zuschauen, wie ihre Schwester sich um ihr Lebensglück brachte, indem sie jemanden mit einem Trick in die Ehe lockte.
Clarissa überlegte, wie sie vorgehen sollte. Sie hatte eine recht gute Vorstellung von Rasenbys Charakter gewonnen, und glaubte zu wissen, dass eine Herausforderung bestimmt ganz nach seinem Geschmack wäre. Etwas, das ihn neugierig machte. Und das würde sie ihm bieten. Angesichts dieser Aufgabe vibrierte sie vor gespannter Erwartung, doch natürlich nur wegen der Möglichkeit, Amelia vor dem Abgrund bewahren zu können – das sagte sie sich jedenfalls. Es hatte nichts damit zu tun, dass sie ihre Geisteskräfte mit einem Gegner wie Rasenby messen wollte. Und nichts mit dem Charme dieses Gegners. Ganz bestimmt nicht!
Der Kutscher, der Clarissa am Abend vor Lord Rasenbys Stadthaus absetzte, musterte sie abschätzend, nachdem sie ausgestiegen war. Ledige Damen, die dieses Haus aufsuchten, kamen normalerweise nicht im Mietwagen, noch sprachen sie in so kultiviertem Ton und trafen im Dunkeln ein, unbegleitet und in Abendrobe. Mit einem gleichmütigen Schulterzucken gab er es auf, diese Ungereimtheiten einzuordnen, und verschwand mit seinem Wagen in der dunklen Nacht.
Während Clarissa, nachdem sie geläutet hatte, nervös darauf wartete, dass ihr geöffnet wurde, spiegelten ihre Gedanken die des Droschkenkutschers. Sie fühlte sich wie eine Dirne, und die verächtlichen Blicke des Butlers, der ihr in der Halle ihren Umhang abnahm, sagten ein
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