Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
eben diese Gedanken aus. „Ich brauche Geld! Ich bin für ein luxuriöses Leben gemacht. Ich halte es nicht mehr aus! All diese alten Kleider, die immer nur durch Bänder und Schleifen aufgeputzt werden! Und nie hübscher Schmuck! Himmel, ich bin achtzehn! Praktisch schon ein Ladenhüter! Also, schau dich doch an, Clarrie! Was erwartet dich denn, außer eine alte Jungfer zu werden? Oder Gouvernante. Oder dich mit irgend so einem alten Knacker zu verheiraten, dem du die Gichtverbände wechseln musst! Ich muss fort von hier! Ich muss heiraten! Reich heiraten!“
Amelia ließ ihrer Wut freien Lauf, erhob ihre Stimme zu schrillem Kreischen und ließ ungehemmt ihre Tränen fl ießen. „Und da ich keine Mitgift habe, um anständig zu heiraten, sagt doch schon die Vernunft, dass ich mich in Hinterlist fl üchten muss – wie manche es zu nennen wagen. Ich muss doch zwangsläu fi g ein wenig unehrlich vorgehen – wie man che mir vorwerfen! Manchmal braucht das Schicksal eben einen kleinen Schubs. Und wenn manche Leute das nicht einsehen wollen, dann … dann werden sie feststellen müssen, dass ich ihnen nicht mehr begegnen will! Nie mehr! So! Leid wird es ihnen tun!“ Ihr Schluchzen verebbte ein wenig, der Sturm hatte sich langsam erschöpft.
Clarissa lächelte in sich hinein. Die letzten Sätze hatten den eigentlichen Grund für Amelias Ausbruch offenbart. Anscheinend hatte sie gestern ihren Plan, Lord Rasenby durch Hinterlist in eine Ehe zu locken, diesem Edward Brompton enthüllt, und dieser ehrenwerte Mann – und ehrenwert musste er wohl sein – schien ihr ernste Vorwürfe gemacht zu haben – gesegnet sei er! Dass sie ihm überhaupt gut genug gelauscht hatte, um seine Worte wiedergeben zu können, bewies, dass sie ihm zugeneigt sein musste, was sie jedoch nicht zugeben würde. Äußerst zufrieden nahm Clarissa zur Kenntnis, dass ihre Schwester erstaunlicherweise dabei war, sich in einen nüchternen, aufrechten jungen Mann zu verlieben.
Sie jedoch zu überreden, Mr. Bromptons Einwände nicht in den Wind zu schlagen, wäre völlig nutzlos, das wusste Clarissa aus langer Erfahrung. Mit ein wenig Überredung gelang es ihr, Amelia wieder ins Bett zu schicken, damit sie im abgedunkelten Zimmer durch Schlaf wiedergutmachen könne, was das Weinen ihrem Teint angetan hatte. Allerdings näherte sich schon der Nachmittag, bis Amelia endlich unter Zuhilfenahme von Hirschhornwasser und kühlenden Stirnbinden zur Ruhe kam.
Clarissa blieb daher nur wenig Zeit, sich auf ihr Treffen mit Lord Rasenby innerlich und äußerlich vorzubereiten. Er würde ihrem Vorschlag zustimmen. Er musste zustimmen! Dass er ablehnen könnte, durfte sie gar nicht erst erwägen. Eher mit dem Mut der Verzwei fl ung als aus Überzeugung sagte sie sich, dass sie ihn schon irgendwie überreden würde.
Wenn sie gewusst hätte, wie umtriebig Kit seinen Vormittag verbrachte, wäre sie mehr als nur ein wenig bestürzt gewesen. So aber machte sie sich, angetan mit einem schicken blassgrünen Nachmittagsensemble – einem Geschenk ihrer Tante – auf zu ihrer Verabredung, sehr zufrieden mit ihrer Erscheinung, da der Spiegel ihr bestätigt hatte, dass sie sehr vorteilhaft aussah.
Während der gesamten Fahrt erteilte sie sich immer wieder streng Ermahnungen bezüglich attraktiver Frauenhelden und deren Kussfertigkeit und hielt sich vor Augen, dass sie solch intime Annäherungen von nun an vermeiden musste. Als sie schließlich am Green Park den Kutscher auszahlte und aus der Mietdroschke stieg, pochte ihr Herz äußerst aufgeregt.
Lord Rasenby erwartete sie in einem Sportphaeton, mit einem Gespann glänzender, aufs Haar aufeinander abgestimmter Rotfüchse, die unruhig die Köpfe aufwarfen und nur mühsam von einem jungen Burschen gehalten wurden. Ein wenig ängstlich schaute Clarissa zu deren Herrn auf, der hoch über ihr thronte.
„Keine Sorge, ich habe sie fest in der Hand. Sie wissen doch, jeder Lebemann, der den Namen verdient, ist Experte darin, auch das jüngste Füllen zu beherrschen.“ Der sardonische Blick, mit dem er sich auf seinen Ruf zu beziehen p fl egte, wurde durch ein kleines Lächeln gemildert. „Es sieht höher aus, als es ist. Stellen Sie einfach Ihren Fuß hierhin, und ich helfe Ihnen hinauf.“ Mit diesen Worten beugte er sich nieder, ergriff Clarissa bei der Hand und zog sie zu sich hinauf auf den Sitz, wo er ihr fürsorglich ein Plaid über die Knie legte. Obwohl er völlig unpersönlich vorging, errötete sie bei seiner
Weitere Kostenlose Bücher