Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
wenn sie die Sea Wolf erst verlassen haben. Ich bin kein Held!“
„Sie verleugnen sich zu gern! Aber das passt zu Ihnen, denn, Lord Rasenby, Sie genießen Ihren Ruf als Lebemann, worauf ich ja schon mehrmals hinwies.“ Sein zur Schau gestellter Zynismus regte sie auf. Er durfte nicht so streng mit sich selbst sein. Er war kein solcher Schurke, wie gründlich er auch diese Rolle spielte.
„Ah, ich merke, immer, wenn Sie mich belehren wollen, bin ich plötzlich wieder Lord Rasenby für Sie. Im Übrigen haben Sie nicht das Recht, mich zu tadeln, das steht nur mir selbst zu, und glauben Sie mir, ich bin mein strengster Zuchtmeister. Doch sicher vergebens. Die Hölle wartet bestimmt schon auf mich. Wenn Sie meine Gesellschaft länger genössen, würden Sie fi nden, dass man mich nicht bessern kann und ich auch dessen nicht bedarf.“
„Man muss Sie nicht bessern, weil Sie bei Weitem nicht so schlecht sind, wie Sie sich geben. Sie können mich nicht täuschen, Kit. Niemals hätten Sie sich auf all diese Fahrten eingelassen, die Ihren John ebenso in Gefahr bringen wie Sie selbst, wenn Sie es nicht der Mühe wert befunden hätten – und ich spreche nicht von Schmuggelgut. Wenigstens sich selbst sollten Sie eingestehen, dass es Ihnen wichtig ist, diese Menschen zu retten. Und für die sind Sie zweifellos ein Held. Bessern müssen Sie sich nur in einem – nämlich von sich selbst nicht weniger gut zu denken, als Ihnen gebührt.“
„Ihre Meinung bringt Sie in Gefahr, törichte Clarissa. Lassen Sie sich warnen, ich ändere mich nicht, nur weil Sie meinen Charakter verkennen, noch werden Ihre Schmeicheleien mich verleiten, Sie von Ihrem Versprechen zu entbinden. Aber lassen wir das jetzt! Da, schauen Sie, geradeaus ist unser Leuchtfeuer. Wir werden erwartet. Sie können zusehen, wenn wir die Renauds – so heißt die Familie – an Bord holen, nur verhalten Sie sich ruhig und stehen Sie nicht im Weg herum.“
Damit ging er und löste John am Ruder ab.
Ihr Ärger, dass er sie einfach stehen ließ, wurde bald von dem Wunsch abgelöst, dass es ihr gelingen möge, ihn größeres Selbstwertgefühl zu lehren. Aber was nützte schon wünschen. Eines jedoch wünschte sie über alles, nämlich, dass dieses Abenteuer nie enden möge. Gerade jetzt mochte sie sich eine Zukunft ohne Kit Trahern, Lord Rasenby, nicht einmal vorstellen.
Inzwischen hatten die beiden Männer das Boot ins ruhigere Gewässer einer kleinen Bucht navigiert und Kit, ganz Konzentration, lotste es zwischen den trügerischen Klippen hindurch der Anlegestelle des Fischerdörfchens entgegen. Clarissa, die ihn nicht aus den Augen ließ, bemerkte, wie schön und ebenmäßig seine Züge waren, wenn er vergaß, seinen so typischen zynischen Ausdruck aufzusetzen. Seine Augen glänzten erwartungsvoll, und die fi ebernde Erregung, die er ausstrahlte, steckte Clarissa an und erweckte in ihr die Sehnsucht, sich an seiner Seite der Gefahr zu stellen. Hier stand der wahre Kit, der kühne Retter, nicht der zügellose Lebemann. Und plötzlich ging ihr die Wahrheit auf: Das war ihr Kit, der Mann, den sie zu lieben begonnen hatte.
Angesichts dieser Erkenntnis stockte ihr der Atem. Einen Augenblick nahm sie nichts anderes wahr als die erhebende, prickelnde Emp fi ndung zu lieben. Doch nur zu rasch landete sie wieder auf dem Boden der Tatsachen. Der Mann, der so stolz da vorn am Ruder stand, liebte offensichtlich seine Jacht mehr, als er je eine Frau lieben würde, und besonders nicht eine solche wie sie selbst, die er für eine hinterlistige Betrügerin hielt. Er wollte ihren Körper, nichts sonst.
Der Gedanke erschütterte selbst ihren unverdrossenen Mut. Doch lange schon geübt in der Kunst, allen Widerwärtigkeiten zu trotzen, und stets zu Optimismus neigend, entschied Clarissa, einfach die Gegenwart zu genießen und alles andere dem Schicksal zu überlassen. Jetzt war sie erst einmal hier, mit ihm. Energisch wandte sie sich der Szene zu, die sich vor ihr abspielte. Sie würde alles, alles bis zum Letzten auskosten. Es musste schließlich für den Rest ihres Lebens reichen.
Inzwischen hatten sie Anker geworfen, doch der Wasserstand war zu niedrig, als dass die Jacht am Kai hätte anlegen können. Kurz darauf erklang das Geräusch von Rudern, die durchs Wasser gezogen wurden, und ein kleines Boot näherte sich, zwei vermummte Passagiere im Heck. John ließ eine Strickleiter herab und rief dem Bootsführer, der anscheinend kein Unbekannter war, in gebrochenem
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