Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
Französisch ein paar Grußworte zu.
Kit nickte Clarissa ermunternd zu, und sie kam und stellte sich neben ihn ans Ruder. Ihr eine Hand entgegenstreckend fragte er: „Nun, meine Schöne, genießen Sie es?“
So völlig ging er in der Situation auf, dass er seine Feindseligkeit vergessen hatte und sich nur der prickelnden Gefahr bewusst war; dazu kam eine ungewohnte, herzerwärmende Emp fi ndung – nämlich dieses gemeinsam mit der komplizierten, selbstsicheren Frau neben sich zu erleben. Im einen Moment leidenschaftlich, im nächsten störrisch, dann von kindhafter Neugier, dann wieder wild entschlossen, ihren Charakter zu verteidigen. Nicht die Spur von Furcht und nie eine Träne, nicht ein Vorwurf, nur tapferer Mut und überschäumende sprühende Freude. Ein beeindruckendes Zusammenspiel von Eigenschaften.
Jetzt machte das Boot mit seiner kostbaren Fracht fest. Und Kit gestand sich ein, dass Clarissa recht hatte. Den Emigranten zu helfen, bedeutet ihm mehr, als er sich eingestehen mochte. Er drückte ihre Hand, die sie unwillkürlich in die seine geschoben hatte, während sie sich, wie schutzsuchend, etwas dichter an ihn schmiegte.
„Wie sie da unten hocken, wirken sie schrecklich verängstigt“, sagte sie leise. „Sie müssen viel durchgemacht haben, um hierher zu gelangen. Aber bestimmt wissen sie, dass sie jetzt hier bei Ihnen in Sicherheit sind.“
So vertrauensvoll schaute sie zu ihm auf, dass er sich nicht zurückhalten konnte. Er neigte sich zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Einen zarten, keuschen Kuss, wie man ihn einem Kind geben würde, denn er hatte unversehens das Gefühl, er müsse sie behüten, nicht das Vertrauen enttäuschen, das er in ihren Augen las. Sie bestand darauf, in ihm den rettenden Helden zu sehen, und ganz fl üchtig wünschte er, er wäre es.
Er war behext! Sie musste ja wohl vor nichts anderem gerettet werden als vor ihren eigenen listigen Plänen, in die sie ihn verstrickt hatte. Sich in Härte fl üchtend sagte er: „Warten Sie jetzt hier. Ich muss den Leuten an Bord helfen und mich um die sonstige Fracht kümmern.“ Damit ließ er sie stehen.
Clarissa sah zu, während die beiden Flüchtlinge – ein älterer Herr und ein junges Mädchen, das ihn mit Vater anredete, an Bord geholt und nach unten in die Kabine geführt wurden. Dann waren diverse Kisten und Ballen an der Reihe, die umgehend unter einer Falltür im Deck verschwanden, über die Planen, Segeltuch und lose Taus gehäuft wurden. Nachdem der Bootsführer einen ansehnlichen Betrag eingestrichen hatte, stieg er wieder in seinen Kahn und ruderte davon, während Kit und John alles für die Rückfahrt bereit machten.
Fasziniert hatte Clarissa die Vorgänge verfolgt, doch die ganze Zeit über konnte sie Kit nicht vergessen. Er hielt sie für eine Schwindlerin, das stand fest, und er glaubte ihre Geschichte nicht, doch das war kein Wunder, denn die war ziemlich mager, das musste sie selbst zugeben. Trotzdem war er auf ihren Vorschlag eingegangen, aus welchen Gründen auch immer. Nun ja, er langweilte sich, und er fand sie amüsant. Und verführerisch, wenn sie es auch kaum glauben konnte, da er schon so viele echte Schönheiten gehabt hatte. Dennoch hatte er gesagt, dass sie schön sei, und sie glaubte ihm, denn da sie sich ihm praktisch angeboten hatte, musste er ihr nicht schmeicheln, um sie zu bekommen. Vermutlich war es das Neue, das ihn reizte, und das würde nur zu schnell abnutzen. Trotzdem erklärte das nicht, dass er sich auf die Sache einließ. Er begehrte sie, traute ihr aber nicht. Manchmal, so wie etwa vorhin, als er sie küsste, kam es ihr vor, er hegte gar zärtlichere Emp fi ndungen, doch anschließend war er umso abweisender. Aber da sie sich selbst in die Lage gebracht hatte, musste sie mit den Folgen leben. Sie hatte sich nicht verlieben wollen, dennoch bedauerte sie es nicht, obwohl Kit nie etwas davon erfahren würde.
Da sie inzwischen, wie Clarissa am Seegang merkte, wieder auf offener See waren, beschloss sie, hinunterzugehen und den Flüchtlingen so gut es ging beizustehen. Sie mussten durchfroren und hungrig sein. Vater und Tochter Renaud hockten aneinandergeschmiegt auf einer der Kojen. Das Mädchen war wirklich noch sehr jung, vielleicht fünfzehn, und wirkte erschöpft und verängstigt.
Clarissa setzte ein fröhliches Lächeln auf, suchte ihr Schulfranzösisch zusammen und begrüßte die beiden, bekam jedoch ihre Entgegnung in hervorragendem Englisch, da Monsieur Renaud,
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