Ein Lord entdeckt die Liebe
schräg an, wenn er sich von anderen fernhielt. Von ihm, dem Marquess, erwartete man geradezu, dass er sich anders benahm als die anderen. Er brauchte niemandem etwas vorzuspielen. Die Pächter wären nie auf die Idee gekommen, seine Anweisungen in Frage zu stellen. Das Personal war gut geschult. Mit seinen Nachbarn hatte er wenig, aber nicht auffallend wenig Kontakt. Er kam seinen Pflichten als Landbesitzer nach und widmete sich mit Begeisterung seiner Sammlung. Wenn er das Bedürfnis verspürte, mit jemandem zu reden, diskutierte er mit Hardwick über historische Waffen.
Eine Heirat hätte all das, was er jetzt so genoss, zunichtegemacht. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie schwierig es sein würde, als Ehemann die notwendigen Schutzwälle aufrechtzuerhalten. Und dass sie aufrechterhalten werden mussten, stand außer Frage. Die Lektion, die sein Vater und sein Bruder ihm erteilt hatten, würde er nie vergessen: Wenn du nicht verletzt werden willst, bitte nie um etwas, lass niemanden an dich heran und gib nie etwas her, was du besitzt.
Mairi war der Mensch, der ihm am nächsten stand. Doch selbst sie wusste nicht wirklich, was in ihm vorging. „Ich wollte dich zu einem Besuch in London überreden“, begann sie, und ihre Augen blitzten schelmisch auf. „Schließlich solltest du Gelegenheit haben, ein paar junge Damen kennenzulernen. Nun allerdings ist mir eine andere Idee gekommen. Versteckst du deine zukünftige Braut womöglich bereits hier vor der Welt?“
Er lachte laut auf. „Ich muss dich enttäuschen, Mairi. Ich verstecke hier niemanden. Wenn du möchtest, kannst du gern jeden Raum sowie den Dachboden und den Keller durchsuchen.“
„Sei nicht albern!“ Sie verdrehte die Augen. „Ich spreche von Miss Hardwick.“
Braedon, der gerade einen Schluck Whisky hatte trinken wollen, verschluckte sich. „Hardwick?“, stieß er mit halb erstickter Stimme hervor und unterdrückte rasch das unerwartete Gefühl der Erregung, das die Vorstellung einer Ehe mit Hardwick in ihm geweckt hatte. „Du musst den Verstand verloren haben!“
„Keineswegs. Sie ist eine Frau, nicht wahr? Und zwar eine, die deine merkwürdigen Interessen teilt.“
„Sie ist meine Angestellte.“ Und so sollte es bleiben! „Sie ist die wertvollste Assistentin, die ich je hatte. Es wäre sehr unangenehm, wenn du sie in die Flucht schlügest, Mairi. Also behalte deine verrückten Ideen bitte für dich.“
Sie machte eine abwehrende Geste, und dabei rutschte ihr Ärmel ein Stück zurück. Braedon bemerkte einen blauen Fleck an ihrem Handgelenk. Zorn wallte in ihm auf. Er trat auf seine Schwester zu und griff nach ihrem Arm.
„Was ist das?“, verlangte er zu wissen. „Was hast du getan, Mairi? Hast du Ashton irgendwie dazu gebracht, die Beherrschung zu verlieren?“
Sie entzog sich ihm. „Mach dich nicht lächerlich. Ashton würde mir niemals wehtun!“
Braedon ballte die Hände zu Fäusten.
„Nein!“ Ihre Stimme klang schrill. „Du irrst dich. Es war alles ein … Missverständnis. Ich habe ein wenig mit einem Mann geflirtet, nichts Ernstes. Es sollte dir klar sein, dass ich Ashton so etwas nicht antun würde.“
Sosehr er sich auch bemühte – er konnte sein Entsetzen nicht verbergen.
„Schau mich nicht so an, Braedon!“ Mairi schluchzte auf.
Sogleich wich sein Zorn dem Wunsch, sie zu beschützen, so wie er es immer getan hatte.
Er tat es nicht. Er konnte es nicht. „Weiß Ashton davon?“ Eine überflüssige Frage. Wenn Ashton nichts erfahren hätte, wäre Mairi jetzt nicht in Denning.
Sie senkte den Blick. „Er hat ihn gefordert. Nein, nicht zum Duell. Die beiden haben geboxt. Ashton hat gewonnen. Dann ist er in sein Jagdhaus nach Schottland gereist.“
„Warum, zum Teufel, versuchst du immer wieder, deinen Gatten in den Wahnsinn zu treiben?“
Kampflustig hob sie das Kinn. „Hör auf mit dem Unsinn! Meine Ehe ist vielleicht nicht im Himmel geschlossen worden, aber sie ist voller Leidenschaft. Das genügt uns beiden.“
Langsam schüttelte Braedon den Kopf.
„Du würdest auch keine Ehe wollen, die der unserer Eltern ähnelt.“
„Das stimmt.“ Plötzlich fühlte er sich müde.
Mairi wandte sich ab und starrte eine Weile stumm zum Fenster hinaus. Dann flüsterte sie: „Ich habe tatsächlich Angst, dass ich diesmal zu weit gegangen bin.“
„Hm … Selbst ein Mann wie Ashton kommt irgendwann an seine Grenzen.“ Ihm war, als sei er mindestens hundert Jahre alt. „Mairi, hör mir zu. Ich sage dir
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