Ein Lord entdeckt die Liebe
gegenüber.
Der Marquess hielt das vor Kurzem restaurierte Kavallerie-Schwert in der Hand. Bei jeder Bewegung brach sich die Sonne in der glänzenden Klinge. Die so abgelenkten Strahlen waren es, die helle Muster auf die Wand der Bibliothek zauberten.
Ein heißer Schauer überlief Chloe. Immer wenn sie Marland so sah – als Krieger in eng sitzenden Hosen und hohen Stiefeln –, erwachten seltsame erregende Empfindungen unwillkürlich in ihr.
Der Kampf begann, wurde heftiger. Schlag folgte auf Schlag. Deutlich konnte Chloe die angespannten Muskeln des Marquess erkennen. Oh Gott, er war so männlich! Sie schloss die Lider und stellte sich vor, wie seine Haut sich unter ihren Fingern anfühlen würde.
Als Metall laut auf Metall klang, riss sie die Augen wieder auf. Braedons Gegner war ein geschickter Kämpfer. Dennoch achtete Chloe kaum auf ihn. Zu sehr war sie von Lord Marland fasziniert. Er war so stark, so geschickt, so schnell, als wäre er gerade einem Heldenepos entstiegen. Welch ein Meister der Strategie! Und so gut aussehend! Chloe war hingerissen und …
… fühlte sich erwischt.
Ihre Nackenhaare richteten sich auf. Deutlich spürte sie, dass jemand sie beobachtete. Sie rang um Beherrschung und wandte sich um.
Auf der Schwelle stand Lady Ashton.
„Ich habe mich schon gefragt, wie Sie das schaffen.“ Das ausdrucksstarke Gesicht der Countess spiegelte jetzt Überraschung, Interesse und so etwas wie Belustigung wider.
„Mylady?“
„Wie Sie es schaffen, mit meinem schwierigen Bruder zurechtzukommen.“ Um ihre Mundwinkel zuckte es. „Gerade ist mir klar geworden, dass Sie ihm und mir sehr ähnlich sind: eine Meisterin im Versteckspielen.“
„Pardon, Mylady, ich verstehe nicht …“
„Unsinn!“ Leise lachend trat Mairi zu Chloe. „Keine Angst, ich beabsichtige nicht, Sie zu kritisieren. Als ich das Klirren der Waffen hörte, bin ich hergekommen, um mir den Kampf anzuschauen. Ah, das ist wohl Sir Thomas Cobbe?“
„Ja. Er kommt so oft wie möglich, um mit Lord Marland zu trainieren.“
„Angeblich ist er der beste Schwertkämpfer in ganz England. Prinny soll ihn ja nur deshalb geadelt haben.“ Sie warf Chloe einen kurzen Blick zu. „Es heißt, er sei arm wie eine Kirchenmaus, aber genauso verrückt nach alten Waffen wie mein Bruder.“
Chloe schwieg. Sie war schon halb entschlossen, mit den Nachforschungen zu Skandas Speer fortzufahren, als der Kampf noch einmal an Härte zunahm. Sir Thomas strauchelte, musste das Schwert fallen lassen. Eines seiner Knie berührte den Boden. Und plötzlich hielt er einen Dolch in der Hand. Er holte aus, um das Bein des Marquess zu treffen.
„Das ist nicht fair!“, rief Mairi.
Chloe hielt den Atem an.
Dann sprang Marland zurück, gerade rechtzeitig, um von der scharfen Klinge nicht getroffen zu werden. Sir Thomas packte sein Schwert, kam wieder auf die Beine und ging erneut auf seinen Gegner los.
„Sie sind großartig, nicht wahr?“, murmelte Lady Ashton. „So konzentriert! So lebendig!“
Gern hätte Chloe die Countess gebeten, mehr über ihren Bruder zu erzählen. Aber sie wusste, dass Marland ihr das übelgenommen hätte. Und da sie ihre Stellung nicht aufs Spiel setzen wollte, verhielt sie sich wie immer. Sie stellte keine Fragen, sondern bemühte sich, mit ihrer Umgebung so weit zu verschmelzen, dass sie für andere nahezu unsichtbar wurde. So hatte sie die schlimmsten Zeiten ihres Lebens überstanden. So war es ihr gelungen, die Stellung bei Lord Marland zu behalten. So war sie zu seiner Hardwick geworden.
Draußen war der Kampf vorbei. Die Männer hatten die Waffen beiseitegelegt und sich etwas zu trinken genommen.
Es war an der Zeit, sich wieder mit Skandas Speer zu beschäftigen.
„Miss Hardwick, ich würde Sie gern besser kennenlernen“, sagte die Countess.
„Es ist mir eine Ehre, Mylady. Aber Ihr Bruder ist ein strenger Arbeitgeber.“
„Wahrscheinlich denkt er nie daran, dass auch Sie einmal einen freien Nachmittag brauchen?“
Tatsächlich hatte sie sich vor einer halben Ewigkeit einen Tag frei genommen. Morgens war sie am Meer spazieren gegangen, und später hatte sie ein paar Einkäufe erledigt.
Lady Ashton lächelte. „Wie ich sehe, habe ich recht. Sie arbeiten pausenlos, nicht wahr? Das ist nicht recht! Sie könnten einen kleinen Spaziergang mit mir machen.“
Chloe musterte den Schreibtisch, auf dem Briefe lagen, die beantwortet werden mussten, und Bücher, die studiert werden sollten. Ihre Pflichten warteten
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