Ein Lord entdeckt die Liebe
Ihre Fantasie gaukelte ihr Bilder vor, die ihr heiße Schauer über den Rücken jagten. Ein Ritter, der ihr einen Kuss stahl. Ein Wikinger, der sie leidenschaftlich umarmte. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Dennoch konnte sie den Blick nicht von Marlands Lippen abwenden.
Durfte sie überhaupt solchen Gedanken nachhängen? War sein Lächeln ein Versprechen? Durfte sie hoffen?
„Kommen Sie“, sagte Braedon, bückte sich nach seinem Rock und legte ihn Chloe um die Schultern. „Ich möchte nicht, dass Mairi sich Sorgen um uns macht.“
Chloe war zu verwirrt und zu glücklich, um etwas zu sagen. Stumm schritt sie neben dem Marquess in Richtung des Törchens.
„Wo wollen wir mit der Suche beginnen?“, fragte er.
Sie zwang sich, tief und gleichmäßig zu atmen. Und dann, endlich, fand sie ihre Stimme wieder. „Als ich nach London kam, haben viele Antiquitätenhändler und Sammler mich angeschrieben. Ich habe allen mitgeteilt, dass ich zurzeit andere Interessen habe. Allen, mit einer Ausnahme. Signor Pisano ist ein guter Bekannter. Mit ihm sollten wir beginnen.“
„Gut. Wann?“
Sie hatten die Grünanlage verlassen, und der Zauber war verflogen.
„Morgen Nachmittag“, meinte Chloe in geschäftsmäßigem Ton.
Dann standen sie vor Ashton House. Braedon verbeugte sich. „Bis morgen also.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Mylord“, rief Chloe ihm nach, „besitzen Sie einen Phaeton? Dann holen Sie mich doch bitte damit ab. Ich liebe es, in einem schnellen Phaeton zu fahren.“
6. KAPITEL
J e weiter Braedon sich vom Cavendish Square entfernte, desto weniger verstand er seine Gefühle. Während er zunächst begeistert über Hardwicks Versprechen gewesen war, empfand er nun nicht einmal mehr Zufriedenheit. Er hatte so fest damit gerechnet, dass Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit ihr ihn erfüllen würde. Doch da war nur eine seltsame Leere.
Es ergab keinen Sinn.
Seine Chancen, in den Besitz von Skandas Speer zu gelangen, waren enorm gestiegen, denn niemand war so geschickt darin, eine allseits begehrte Antiquität aufzuspüren und zu erwerben, wie Hardwick. Und wenn er nur genug Zeit mit ihr verbrachte, würde es ihm gewiss auch gelingen, sie davon zu überzeugen, dass es für alle am besten war, wenn sie nach Denning Castle zurückkehrte. Was also wollte er mehr? Warum, zum Teufel, war da kein Gefühl des Triumphs?
Vielleicht, fuhr es ihm durch den Kopf, weil ich nichts lieber getan hätte, als sie zu küssen. Er erinnerte sich nur allzu deutlich daran, wie schmal ihre Taille war und wie herrlich rund ihre Brüste. Er hatte den Duft ihres Haars eingeatmet und den Wunsch verspürt, sein Gesicht in die dunklen Locken zu schmiegen.
Hölle und Verdammnis! Seit Hardwick ihn und Denning Castle verlassen hatte, hatte er ihr insgeheim vorgeworfen, ihn verraten zu haben. Alles, was Hardwick bis dahin getan hatte, hatte sich wunderbar in sein Leben eingefügt und es merklich erleichtert.
Ja, das war die alte Hardwick gewesen. Die neue Hardwick war anders. Sie stellte eine Gefahr dar. Ihre Lippen luden zum Küssen ein. Wenn er in ihre blauen Augen schaute, so hatte er das Gefühl, in ihnen zu versinken. Er fühlte sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Ihr Lächeln vertrieb die Kälte in seinem Inneren. Und mit jedem Schwung ihrer Hüften weckte sie sinnliche Bedürfnisse in ihm, die sich nur schwer unterdrücken ließen. Verflucht, manchmal vergaß er in ihrer Gegenwart, wie gefährlich es war, sich anderen zu öffnen.
Das alles verwirrte ihn sehr. Kein Wunder also, dass er sich nach der Zeit zurücksehnte, in der er als Arbeitgeber eine sichere Position gehabt hatte und in der Hardwick nichts weiter gewesen war als eine Assistentin, deren Arbeit er sehr schätzte. Ja, er musste es sich eingestehen: Er wünschte, er könne die Kontrolle über sie zurückgewinnen, die er damals als so selbstverständlich angesehen hatte.
Aber jene Zeiten waren unwiederbringlich vorbei. Wahrscheinlich konnte er froh sein, dass sie es nicht darauf anlegte, sich mit ihm in einer kompromittierenden Situation erwischen zu lassen. Die Folgen wären kaum auszudenken! Nun, in dieser Beziehung konnte er ihr zum Glück vertrauen. Niemals würde sie versuchen, ihn zu hintergehen. Dennoch durfte er nicht vergessen, dass sie eine Frau war. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie etwas von ihm erwartete als Dank dafür, dass sie ihm bei der Suche nach Skandas Speer half. Gewiss würde sie nicht nach Schmuck oder Geld
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