Ein Lord mit besten Absichten
Unannehmlichkeiten haben.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Sorge, Lady Fielding, aber ich kann Ihnen versich…«
»Meine liebe Gillian …« Die alte Dame fiel ihr ins Wort und beugte sich zu ihr. »Meine Liebe, erlaube mir – als der Älteren und Weiseren –, dir in dieser Angelegenheit einen Rat zu geben. Wie man hört, hatten du und der Earl eine recht hitzige Auseinandersetzung. Lasst euch von solchen Differenzen nicht entzweien. So etwas geht vorüber, und wenn man die Dinge so betrachtet, wie sie betrachtet werden sollten – das heißt, sie ignoriert –, dann wirst du ein sehr glückliches Leben führen.«
Gillian starrte die Baroness an. »Jemand verbreitet das Gerücht, Noble und ich hätten uns gestritten?«
Die Federn in der kunstvollen Frisur der Baroness wippten, als sie nickte. »Genau das erzählt man sich; schenke diesem Unsinn aber bitte keine Beachtung. Dass du heute Abend hier bist, beweist die Unrichtigkeit dieser Gerüchte.«
Gillians Hände ballten sich zu Fäusten. Wie konnte es jemand wagen, weitere Gerüchte über den armen Noble zu verbreiten! War es nicht schon genug, dass er sich mit den falschen Behauptungen über seine verstorbene Frau herumplagen musste? Wie um alles in der Welt konnte jemand von dem Streit wissen, den sie heute gehabt hatten, und wer verbreitete diese Nachrichten? »Von wem haben Sie all das, Lady Fielding?«
»Ach, man hört hier und da etwas. Momentan gibt es kein anderes Gesprächsthema als den Schwarzen Earl und wie er dich behandelt. Niemand hat ernsthaft daran geglaubt, er würde es schaffen, zu heiraten und seine Frau auch noch zu behalten, ganz gleich, wie« – sie beäugte Gillians nackte Arme, blaue Hände und das mit einem Handabdruck gezierte Kleid –, »unorthodox diese Frau sein mag.«
»Das ist doch wirklich die Höhe«, schimpfte Gillian ein paar Minuten später, als sie und Charlotte endlich Lady Fielding entronnen waren. »Da setzt jemand die schlimmsten Gerüchte über Noble in die Welt und versucht, ihn in Schwierigkeiten zu bringen, und hat auch noch Erfolg damit! Alle nehmen Noble unseren kleinen Streit übel!«
»Worum ging es denn?«, fragte Charlotte, während sie ihr an die Verandabrüstung folgte.
»Das ist ja das Problem, ich weiß es nicht!« Gillian klatschte mit der Hand auf das Mauerwerk. »Im einen Moment noch war er warmherzig und liebevoll und im nächsten kalt wie Eis. Und jetzt das! Noble lässt mich ohne ihn zu unserem ersten Ball gehen!«
»Du solltest mittlerweile lange genug in England sein, um zu wissen, wie moderne Ehen funktionieren. Dein Ehemann geht seiner Wege, und du genießt die Freiheit, deiner Wege zu gehen. Solange du diskret bist, natürlich.«
»Ich bin immer diskret«, murrte Gillian, während sie sich umdrehte und in die Menge spähte, ehe sie den Blick über den Rasen schweifen ließ. »Noble hasst Menschenmengen; vielleicht wollte er lieber in den Garten. Zum Teufel mit dem Kerl, er hat gesagt, er wäre heute Abend hier. Wo ist er nur?«
»Reg dich nicht so auf, Gilly.« Charlotte holte tief Luft, blickte zu den Türen des Ballsaals und folgte ihrer Cousine in den Garten hinaus, wobei sie insgeheim hoffte, dass ihre Mutter nichts von ihren Eskapaden mitbekäme. »Ah, sieh dir nur diese herrliche Kaskade an! Hast du schon mal so etwas Schönes gesehen?«
»Noch nie«, murmelte Gillian abwesend, womit sie das fantastische Schauspiel der bunten Lichter, die auf dem Wasser tanzten, das sich über die bemoosten Stufen ergoss, hinreichend gewürdigt sah. Sie verrenkte sich den Hals auf der Suche nach jedem hochgewachsenen, gut aussehenden Earl, der sich möglicherweise da draußen in den wohl riechenden Büschen verbarg, um seiner Ehefrau nicht unter die Augen treten zu müssen.
»Schau nur, ein Wasserfall! Ist der nicht entzückend?«
»Entzückend. Ach, verflixt! Draußen scheint er auch nicht zu sein.«
»Du weißt doch, wie Männer sind – sie haben immer soooo Wichtiges zu tun. Sie besuchen ihre Freunde in ihren Clubs, oder sie spielen, oder sie besuchen ihre Mä…«
Gillian drehte sich zu ihrer Cousine um. »Besuchen ihre was?«
Charlotte versuchte, die schwach erhellte Dunkelheit um sie herum zu ergründen. Am Fuße der Treppe, beim Wasserfall, stand eine kleine Gruppe von Leuten, doch niemand befand sich in unmittelbarer Nähe. »Mätressen. Gillian, es wird Zeit, dass du den Tatsachen ins Auge siehst. Ich möchte dich nicht noch mehr verletzen, als du ohnehin schon bist, liebe Cousine,
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