Ein Lord mit besten Absichten
aber du musst dich endlich der Wahrheit stellen. Männer wie Weston sind einfach nicht der Typ, um auf ihre Freiheit zu verzichten, nur weil sie verheiratet sind. Ich weiß, du glaubst, Weston hätte keine Mätresse mehr, aber das ist keine sehr realistische Betrachtung.«
»Du hast recht«, sagte Gillian nach kurzem Nachdenken in vergnügtem Ton und begab sich zur Treppe. Vielleicht war er ins Kartenspielzimmer gegangen.
»Ach ja? Du stimmst mir zu? Einfach so? Ohne Diskussion?«
»Ohne Diskussion.«
»Aber, Gilly … warte, Gilly.« Charlotte eilte ihrer Cousine hinterher, die mit langen Schritten davonging. »Hattest du nicht gesagt, du wärst ganz sicher, Weston hätte seiner Mätresse Distanz erteilt?«
»
Dispens
, und ja, hatte ich, aber das war falsch. Er hat tatsächlich eine.«
»Ach, Gilly, das tut mir ja so leid. Um deiner willen hatte ich gehofft, Weston wäre anders …«
»
Ich
bin seine Mätresse.«
Charlotte blieb abrupt stehen. »Du? Du hältst dich für seine Mätresse?«
Gillian hielt inne und blickte sich zu ihr um. »Ich weiß, dass ich es bin.«
»Du kannst aber nicht seine Mätresse sein!«
»Wieso denn das nicht?«
Charlotte gestikulierte wild. »Weil … weil du seine Frau bist.«
»Na und?«
»Du kannst nicht beides sein.«
»Warum denn nicht?«
»Na ja … darum nicht! Ehefrauen und Mätressen – Gillian, das sind einfach zwei ganz verschiedene Frauen. Ehefrauen sind … Ehefrauen, und Mätressen – also, du weißt doch, was sie sind.«
Gillian legte den Kopf schief. »Vielleicht weiß ich es ja nicht, Charlotte. Worin genau besteht der Unterschied zwischen einer Ehefrau und einer Mätresse? Ach, jetzt guck mich nicht so an, als wäre ich ein Trottel. Abgesehen vom Offensichtlichen, wo liegt der Unterschied?«
Charlotte blickte sich hilflos um, während sie auf eine Eingebung wartete. »Nun, zum Beispiel zeigen Mätressen ihre Zuneigung in der Öffentlichkeit. Hast du das von La Bella Dona und dem Duke of Ainstey vorletzte Nacht gehört?«
Gillian schüttelte den Kopf.
»Sie waren im King’s Theater, und es wird erzählt, dass sie auf seinem Schoß saß. Vor aller Augen.
Und ihn geküsst hat!
«
»So etwas macht man nun wirklich nicht, aber es lässt sich wohl kaum …«
»Während die Duchess in ihrer Loge direkt gegenüber der von La Bella Dona saß!«
»Ach. Nun ja, ich stimme dir zu, dass so ein schockierendes Verhalten jeglichen Anstand vermissen lässt, aber es ist wohl kaum mit meiner Situation zu vergleichen.«
»Doch. Der Punkt ist, dass so ein Verhalten nicht hinnehmbar ist, nicht einmal, wenn es sich um den eigenen Ehemann handelt.«
Gillian dachte an ihre morgendlichen Aktivitäten in der Bibliothek. »Ich bin mir nicht so sicher …«
»Ach, sieh nur!«, quietschte Charlotte und packte ihre Cousine am Arm. »Da ist er.«
»Noble? Wo?«
»Nein, nicht Weston. Sein Freund. Der gut aussehende. Bei den Büschen links von dir.«
»Lord Rosse? Den sehe ich auch nicht. Alles, was ich sehe, ist dieser Winzling Sir Hugh …«
»Gillian! Wie kannst du nur so gemein sein, nur weil der Gentleman nicht so ein Riese ist wie du.«
Gillian starrte ihre Cousine mit einem leichten Schmunzeln an. »Bitte verzeih mir, Char. Ich wusste ja nicht, dass du etwas für ihn empfindest.«
»Sei nicht albern, ich empfinde gar nichts dieser Art für ihn. Papa würde niemals eine Ehe zwischen mir und einem armen Baronet gutheißen. Ich habe dich lediglich auf einen der Freunde deines Mannes aufmerksam gemacht.«
»Mm, schön, danke.« Gillian nahm sich vor, Noble auf seinen Freund anzusprechen, und suchte weiter die Menge ab.
»Da ist Weston.«
»Wo?« Gillian schwang herum.
»Da drüben, genau am Fuße der Treppe. Er wurde soeben von Lord Monteith geschnitten. Ach du meine Güte, Gillian, das ist gar nicht gut. Ich glaube, auch Lord Worcester hat ihn gerade geschnitten. Was sollen wir nur tun?«
Gillian blickte über die moosbewachsenen Pfade, gewundenen Wasserläufe, den akkurat getrimmten Rasen und die idyllischen, mit bunten Lampen im Innern beleuchteten Sträucher zu einer Gruppe von Leuten, die gemeinsam beobachteten, wie ihr Ehemann von der
Crème
de la Crème
bewusst links liegengelassen wurde. Ganz in Schwarz, mit einer strahlend weißen Hemdbrust und einem ebensolchen Tuch, verschlug es Gillian beim Anblick von Nobles herber Schönheit den Atem. Sofort konzentrierte sich ihre Wut auf ein neues, weitaus verdienteres Ziel.
»Ich zeige dir, was ich tun
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