Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
rührte ihren Tee um.
Mir blieb für einen Moment die Sprache weg.
»Er hat ja auch recht enge Hosen an«, observierte die Gemüsehändlerin.
»Kommen gut zur Geltung, die Arschbacken«, erklärte ihre Freundin. »Der wäre was für mich.«
»Nach mir, Edita, nach mir. Ich habe ihn zuerst gesehen.«
Die Gemüsehändlerin, deren Alter ich jenseits der siebzig schätzte, grinste mich zahnlos an und vollführte einen Augenaufschlag, den sie vermutlich für verführerisch hielt. Dann streckte sie ihre knorrige Hand aus und winkte mir zu. »Komm her, mein Hübscher. Zeig mal, was du so zu bieten hast.«
»Ich …«, brachte ich hervor, wurde dann aber von der Kollegin unterbrochen.
»Er soll sich zwischen uns setzen. Ich will mal seine Muskeln fühlen. Das macht mich ganz wuschig.«
Beide Damen lachten gackernd und nahmen einen tiefen Schluck Wabanitee.
Selur stellte sich neben mich und flüsterte: »Ich hab’s dir gesagt, du bist nicht übel.«
»Das hilft mir jetzt nicht weiter!«, zischte ich zurück.
Die kurze Konversation hatte die Aufmerksamkeit der beiden Liebestollen auf Selur gerichtet, und beider Augen ruhten gar wohlgefällig auf der mädchenhaften, hübschen Gestalt des Soldaten. »Das ist ja ein Schnuckel!«, kam die Gemüsehändlerin zum Urteil. »Wir teilen uns die Jungs. Ich nehme den da, und du darfst den mit den Arschbacken haben.«
Selur, der normalerweise seinen Schwanz in alles steckte, was nicht bei drei auf dem Baum war, sah nicht sehr interessiert aus.
»Na gut, aber wenn wir fertig sind, wird getauscht!«, beharrte ihre Freundin.
»Du kannst den Hals aber auch nicht voll genug bekommen!«, keifte die Gemüsefrau.
»Der Hals ist dabei nicht mein primäres Ziel, aber wenn es hilft, um die Jungs heißzumachen, bin ich auch dazu gerne bereit«, konterte die andere und sah mich kokett an.
Mir wurde allein bei dieser Vorstellung mulmig zumute. Ich räusperte mich und versuchte, das Gespräch in eine andere Bahn zu lenken.
»Gute Damen!«
»Nenn mich Netty!«, sagte die Kameradin von Edita.
»Nun … Netty. Ich bin der neue Baron von Tulivar und …«
»Uh, oh!«, machte Edita und es stand eine ganz und gar unnatürliche Gier in ihren Augen. »Der Deal ist geplatzt, Netty, ich will ihn, und nur ihn.«
»So war das nicht abgemacht«, protestierte Netty.
»Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich nicht die Absicht habe …«
»Jetzt wird er zickig! Dabei hatte ich ihn fast so weit«, beklagte sich Edita und sah Netty vorwurfsvoll an. »Daran bist nur du schuld. Du weißt einfach nicht, wie man mit Männern umgeht.«
Es entstand eine heftige verbale Auseinandersetzung, die, je länger sie dauerte, mit einer zunehmenden Anzahl anzüglicher und ausschweifender Anekdoten ausgeschmückt wurde, die Selur mit wachsender Begeisterung verfolgte. Es dauerte einen Moment, in dem ich mir darüber klar wurde, dass fürstliche Autorität mich in dieser Situation nicht weiterbringen würde. Stattdessen half nur eines, wie so oft.
Ich zog meinen Goldbeutel vom Gürtel und ließ die Münzen kurz aufeinanderscheppern.
Sofort herrschte andächtige Stille. Die Gier in den Augen der beiden Frauen konzentrierte sich ganz und gar auf das wollene Behältnis, und jegliche Anzüglichkeit war aus ihrem Habitus verschwunden, denn jetzt ging es nur noch um eines: das Geschäft.
»Ich bin an einem Handel interessiert«, erklärte ich zur Bekräftigung.
Dem Gesichtsausdruck der Damen zufolge beruhte dieses Interesse auf Gegenseitigkeit.
»Wo ist der Bürgermeister? Das Gebäude dort steht leer.«
Die Augen der Alten blieben auf den Beutel in meiner Hand fixiert. Eine leckte sich die Lippen. Die Gemüsefrau wies auf ihre Waren.
»Frischer Kohl, junger Mann?«, krähte sie. »Stärkt die Manneskraft!«
Ich verstand den Wink.
»Ich bin der neue Baron von Tulivar. Ich residiere oben im alten Turm. Ich kaufe alles Gemüse auf deinem Tisch, wenn du es mir den Hügel hinauf lieferst!«
Die Gemüsefrau nickte. »Acht Silbermünzen!«, verlangte sie.
»Du wirst bei Lieferung bezahlt«, stimmte ich der deutlich überhöhten Forderung zu.
»Vier sofort!«
Ich holte die Münzen aus dem Beutel und sah die Alte erwartungsvoll an. Nachdem diese das Geld in der Unergründlichkeit ihrer Gewandung verborgen hatte, blickte sie auf das Warenangebot ihrer Freundin.
»Schöne Ware, junger Mann«, meinte diese nun. »Für einen ordentlichen Hausstand! Im richtigen Alter bist du ja!«
Ich verstand erneut.
»Alles ist
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