Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
Vom Netzwerk:
würden, stand ein Besuch beim Bürgermeister der Stadt an. Da Tulivar-Stadt tatsächlich mehr als 500 Einwohner hatte und offizieller Amtssitz des Barons war, hatte ihr vor vielen Jahrzehnten irgendein umnachteter Bürokrat den Rang einer Stadt verliehen. Der Kastellan schätzte, dass die Einwohnerzahl 500 um nicht mehr als eine Handvoll überschritt und Floßheim gegenüber der Ansiedlung geradezu »idyllisch« sei – und es gäbe schon einen Grund, warum er lieber auf seinem Hof außerhalb der Stadtgrenzen lebte als in größerer Nähe.
    Angesichts dieser Schilderungen war ich nicht sehr frohen Mutes, als ich mich mit Selur an meiner Seite auf den Weg machte.
    Ich will ehrlich sein: Nicht alles sah trostlos aus.
    Die Äcker rund um die Stadt wurden offensichtlich bewirtschaftet, und als wir den besseren Feldweg vom Turm hinab in Richtung Siedlung ritten, sahen wir Bauern auf den Feldern arbeiten. Das harsche Klima hier machte normalerweise nur eine, ganz selten zwei Ernten möglich, und daher musste man die Felder mit großer Aufmerksamkeit pflegen. Ich sah, dass Schamanen die Pflanzen segneten und Bauern sie mit Mist düngten. Die Arbeiter sahen uns kaum an, als wir den Weg entlangritten, doch einige, die uns näher standen, hielten zumindest inne und starrten uns nach. Zwei zogen die Mützen. Einer grüßte uns. Es war erneut genug, meine Stimmung zumindest etwas zu verbessern.
    Dann kam Tulivar selbst, und dort drohte meine Laune wieder umzuschlagen.
    Die Stadt, so man sie als solche bezeichnen wollte, hatte früher mal eine Mauer besessen. Ich konnte die bröckeligen Reste bewundern, als wir die Stadtgrenze überschritten. Es gab keine befestigten Straßen, nicht einmal einen ordentlichen Abwasserkanal. Die Häuser wirkten alt, standen windschief und geduckt nebeneinander; kaum eines besaß auch nur ein zweites Stockwerk. Die Straßen waren nur gestampfte Wege, voller Dreck und wildem Bewuchs. Nur wenige Bürger waren unterwegs, und es gab so gut wie keine Geschäfte oder Verkaufsstände. Hier wurden wir durchaus beachtet, mal neugierig, mal misstrauisch, aber niemand grüßte uns. Ich fühlte mich nach Floßheim zurückversetzt. Es herrschte eine gedrückte, lethargische Stimmung.
    Nach nur wenigen Minuten erreichten wir den Marktplatz. Er zeichnete sich dadurch aus, dass in der Mitte die völlig verwitterte Statue des ersten Imperators stand, mit abgeschlagenem Arm, der einstmals in die Ferne gedeutet hatte, jetzt aber in Stücken neben der Statue lag. Hier gab es auch zwei Verkaufsstände, die etwas Gemüse und einige Haushaltswaren feilboten. Und die Krönung des Platzes war das einzige zweistöckige Gebäude aus massivem Stein, das ich bisher gesehen hatte. Es musste einmal so etwas wie das Verwaltungshaus gewesen sein, der Sitz des Bürgermeisters. Doch so massiv es auch wirkte, so verlassen und heruntergekommen war es. Die Fenster waren gähnend große Löcher, das doppeltürige Portal hing in den Angeln und stand halb offen, Vögel zwitscherten in den Fensterrahmen und flogen in die offenen Räume, da sie dort wahrscheinlich Nester gebaut hatten. Niemand bewohnte oder bewirtschaftete dieses Gebäude, es hatte sich hier kein Frederick gefunden, der dringend einen Hühnerstall benötigte.
    Es war zum Heulen.
    Ich saß ab und band mein Tier fest. Selur tat es mir gleich. Einige Augenblicke verweilte ich vor dem Gebäude, um mich zu vergewissern, dass dort tatsächlich niemand wohnte, dann stieß ich ein Seufzen aus und marschierte mit Selur an meiner Seite zu den beiden Verkaufsständen. Hinter ihnen saßen alte Weiblein, in mehrfache Schichten von Kleidung gewickelt. Sie hatten auf einem winzigen Eisenofen eine Kanne Tee erwärmt und ihr leises Getuschel erstarb, als ich bei ihnen ankam.
    Immerhin wirkten sie nicht feindselig. Tatsächlich machten sie sogar einen sehr entspannten und heiteren Eindruck, lächelten mir weitgehend zahnlos entgegen. Ich sog den süßlichen Geruch des Tees ein.
    Wabanikraut. Die beiden Vetteln waren dabei, sich systematisch zuzudröhnen. Immerhin würde es die Konversation erleichtern.
    »Hallo, junger Mann«, begrüßte mich eine der beiden alten Damen, als ich mich den Ständen genähert hatte. Die Auswahl an Gemüse, die sie verkaufte, war ziemlich mager, aber es war von allem reichlich vorhanden: Steckrüben, Karotten, eine Art Kohl, dazu Kartoffeln.
    »Ich grüße Euch, gute Frau!«, erwiderte ich freundlich.
    »Er hat einen knackigen Hintern!«, meinte die andere und

Weitere Kostenlose Bücher