Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
gekauft!«, sagte ich mit umfassender Gestik. Was ich mit diesem Sammelsurium kruder Holzbecher, Löffel und Schneidebretter anfangen sollte, wusste ich allerdings nicht.
»Acht Silberstücke!«, forderte die Verkäuferin. Ich wollte eine Neiddebatte vermeiden, also stimmte ich zu, verlangte auch hier Lieferung zum Turm und zahlte natürlich die Hälfte des Preises im Voraus.
»Der Bürgermeister!«, erinnerte ich die Frauen.
»Der alte Mott wohnt schon lange nicht mehr im Verwaltungshaus. Es wurde ihm zu zugig«, meinte die Gemüsefrau.
»Wo ist er?«, fragte ich.
»Er lebt bei seiner Tochter Dalina, drüben in der Lotgasse. Das Haus mit dem grünen Giebel«, sagte Edita, die Herrin der Haushaltswaren.
»Dalina hat keinen Mann«, ergänzte die Gemüsefrau Netty. »Eine Schreckschraube ist das. Die kriegt nie mehr einen ab.«
Ich war für jede Information dankbar.
»Lotgasse, gut«, sagte ich.
»Diese Straße entlang, dann die erste links!«, sagte Edita.
»Dann suche ich noch Fulban, den Tischler«, ergänzte ich.
»Auch in der Lotgasse«, sagte Netty.
»Roter Giebel. Das ordentlichste Haus von allen«, meinte Edita.
Diese Aussage gab mir Mut.
»Ich danke den Damen«, sagte ich höflich und deutete eine Verbeugung an.
»Komm bald wieder vorbei«, rief Edita fröhlich.
»Ich wohne in der Steingasse«, informierte mich Netty. »Das Haus am Ende. Sehr ruhig.«
Ich heuchelte Interesse und begab mich mit dem impertinent grinsenden Selur zu unseren Pferden. Mein Ziel war die Lotgasse. Von der Steingasse wollte ich mich bis auf Weiteres eher fernhalten. Auch wenn es dort sehr ruhig war.
Die Lotgasse stellte anscheinend so etwas wie das bessere Wohnviertel der Stadt dar. Unter all dem Dreck war sogar der Rest einer gepflasterten Straße zu erkennen. Am Straßenrand erblickte ich einen Brunnen, der wohl den Anwohnern vorbehalten war. Die Häuser hier waren zwar auch schmuddelig und verwittert, aber es kümmerte sich jemand um die Bausubstanz. Die Wände hatten keine Löcher und es gab gute Fenster. An der einen oder anderen Stelle war auch frisch gebleicht worden. Das Haus des Tischlers war nicht nur daran zu erkennen, dass es in der Tat sehr manierlich aussah, sondern auch an der dazugehörigen Werkstatt auf einem ausladenden Hof. Doch zuerst der Bürgermeister, das verlangte das Protokoll. Meine Zuversicht aber wuchs.
Wir erreichten das Haus von Mott. Auf einer Bank vor dem geduckten Gebäude, dessen Wände fast völlig unter Efeuranken verborgen waren, saß ein älterer Herr. Er wirkte würdevoll, trug einen sorgsam gepflegten Backenbart, schütteres, grauweißes Haupthaar und eine alte, abgegriffene Kappe. Seine beiden Hände hatte er um den Knauf eines knorrigen Gehstocks gefaltet. Der Stock war glatt poliert und stellte eine schöne Arbeit dar. Eine Art Wappen aus Kupferblech war auf das Holz unter den Knauf geschlagen. Der Mann sah uns erwartungsvoll entgegen. Dafür, dass es in der Stadt kaum Pferde gab – wir hatten nur ein paar Esel und Ochsen erblickt – und auch zwei voll ausgerüstete Krieger sicher nicht zum üblichen Stadtbild gehörten, wirkte er ausgesprochen gelassen, fast heiter, als er uns ansah. Ich befürchtete sofort, dass auch dieser Herr ein Konsument von Wabanitee war.
Er erhob sich, als wir unsere Tiere an seinen Zaun banden.
»Ich bin Mott«, sagte er, ehe ich das Wort ergreifen konnte. »Ihr seid der Baron von Tulivar!«
Da war etwas Respekt in seiner Stimme.
»Ihr habt mich erwartet, Bürgermeister?«, fragte ich.
»Frederick hat mir von Eurer Ankunft berichtet. Ich habe meine Schwester Netty gebeten, nach Euch Ausschau zu halten und Euch den Weg hierher zu weisen. Sie hat Euch angesprochen?«
Ich wechselte einen Blick mit dem grinsenden Selur.
»Gewissermaßen«, sagte ich, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen.
Mott lächelte wissend. Dann drehte er sich zum Fenster hinter sich und rief: »Dalina! Unsere Gäste sind eingetroffen!«
Die Tür öffnete sich und die Sonne ging auf.
Ich habe in meinem Leben schon viele schöne Frauen gesehen, und im Krieg bekommt man mannigfache Gelegenheit, auch ohne jede Gewalt, sich Frauen zu Willen zu machen, die auf der Suche nach etwas Sicherheit in Zeiten der Wirrnis sind, Sicherheit, die nur ein starker Schwertarm zu liefern imstande ist. Wenn marodierende Trolle plündernd durch das Land ziehen, ist es zweitrangig, ob man gut aussieht oder gute Manieren hat, es reicht bereits die grundlegende Fähigkeit, einen Trollkopf vom
Weitere Kostenlose Bücher