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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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habt mich sicher erst im Haus des Bürgermeisters am Marktplatz gesucht«, meinte Mott nun. »Es tut mir leid, aber ich habe dieses Gebäude bereits vor zwei Jahren aufgegeben. Ich habe damals mit meinem Sekretär meinen letzten Bediensteten verloren und fühlte mich in dem Kasten sehr unwohl. Was auch immer von meinen Amtsgeschäften übrig geblieben ist, kann ich von meinem Kaminzimmer aus regeln. Viel ist es nicht.«
    »Warum nicht?«
    Mott nickte sinnierend. Er hatte die Frage zweifelsohne erwartet.
    »Herr, Tulivar ist eine arme Stadt, ein besseres Dorf. Der Krieg hat uns nicht direkt verwüstet, dafür sei den Göttern gedankt, aber er hat das Lebensblut aus unserem Gemeinwesen gesaugt. Ich bin froh, dass der Sieg unser ist, und bete, dass wir nun die Gelegenheit erhalten, wieder etwas Leben in die Stadt zu bekommen. Doch die Bevölkerung ist in den letzten Jahren kontinuierlich geschrumpft. Vor dem Krieg hatte die Stadt sicher 2000 Einwohner und wir planten bereits eine zweite Stadtmauer. Jetzt … ich weiß gar nicht, wie viele wir noch sind. 500 vielleicht. Und viele davon sind alt wie ich.«
    Mott sah seine Tochter an, die sich schweigend neben ihn gesetzt hatte. »Dalinas Verlobter, Kanan, ist gezogen worden, vor sechs Jahren. Wir haben seitdem nichts mehr von ihm gehört.«
    »Das geht leider vielen so«, murmelte ich, um überhaupt etwas zu sagen. Ich befürchtete, dass ich noch viele solcher Gespräche führen musste. Fast fühlte ich mich etwas schuldig, überlebt zu haben und hierher gekommen zu sein, während so viele Familien noch auf die Rückkehr ihrer Söhne hofften – oder die bloße Nachricht, dass diese noch am Leben waren. Ich wusste auch nicht, warum mir der Gedanke, dass Dalina einen Verlobten hatte, plötzlich ein gewisses Unbehagen bereitete. Ich hätte möglicherweise den noch warmen Kuchen nicht so in mich hineinschlingen sollen. Davor hatte mich bereits meine Mutter gewarnt.
    »Es gibt nicht mehr viel zu verwalten«, fuhr Mott fort. »Ich habe keine Einkünfte. Wie soll ich eine Stadtsteuer erheben, wenn niemand sie einsammelt? Und wo ich doch weiß, dass es allen am Nötigsten fehlt? Man würde mich auslachen. Hin und wieder beglaubige ich eine Hochzeit, wenn mal eine stattfindet, und manchmal stelle ich auch eine Geburtsurkunde aus. Doch in den letzten zwei Jahren sind nur wenige Kinder geboren worden. Abgesehen von alten Männern, die den jungen Dingern nachstellen, gibt es nicht mehr allzu viele potenzielle Väter.«
    Selur leckte sich die Lippen.
    Er wollte wohl noch ein Stück Gebäck.
    »Ihr habt Soldaten mitgebracht. Aus Eurer alten Einheit?«, wollte der Bürgermeister wissen.
    »Ja.«
    »Mit ihren Familien?«
    »Sie haben alle keine.«
    Mott nickte. »Ich kenne mich mit der militärischen Disziplin nicht so aus, Baron. Aber wenn Ihr Eurer neuen Baronie etwas Gutes tun wollt, so lasst den Männern freie Hand. Sie sollen sich benehmen, daran besteht kein Zweifel – wir Provinzler haben da sehr genaue Vorstellungen. Aber sehen wir der Sache ins Auge: Viele unserer jungen Leute werden nicht zurückkommen und wir brauchen frisches Blut. Viele Bauernhöfe stehen leer oder werden von alten Männern und Frauen mehr schlecht als recht bewirtschaftet. Es wird nicht gehandelt. Es gibt keine Lehrlinge bei den Handwerkern und in der Schule nur eine Handvoll Kinder.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Es schien mir in der Grafschaft zu Bell nicht so schlimm zu sein.«
    Mott nickte erneut. »Bell ist größer und hat vor dem Krieg eine fast viermal so große Bevölkerung gehabt. Es gab auch da einen Aderlass, aber er war im Vergleich zur Gesamtzahl geringer. Und der Graf ist bei all seiner Bescheidenheit nicht ohne Einfluss. Er hat dafür gesorgt, dass in wichtigen Bereichen, etwa der Landwirtschaft, die Rekrutierungsquote gesenkt wurde. Es gibt in Bell keine verlassenen Bauernhöfe. Hier, in Tulivar, hat sich niemand für uns eingesetzt. Wir sind ausgeblutet, Baron. Wir sterben hier aus. Ich weiß nicht, warum man uns plötzlich einen neuen Herrn geschickt hat, aber Ihr kommt, bei allem nötigen Respekt, mindestens ein Jahrzehnt zu spät.«
    Stille senkte sich über den Raum.
    Gedankenverloren griff ich zu einem Stück Gebäck und biss hinein. Ich kaute, um meine Antwort zu überlegen. Für einen kleinen Moment drohte die schlechte Einschätzung der Lage meinen natürlichen Optimismus zu überlagern. Aber ich schob diese Gefühlswallung mit Macht zur Seite.
    »Ich werde Ihre Hilfe brauchen,

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