Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
meinte ich. »Du wirst uns begleiten, in Ordnung?«
Der Junge nickte.
Ich zögerte nicht länger. Es war notwendig, so schnell wie möglich alles über das Schicksal der Bewohner von Felsdom zu erfahren. Und ich musste mehr über diesen Hetman wissen. Die Bürger dieser Siedlung würden am ehesten in der Lage sein, mich mit den notwendigen Informationen zu versorgen.
Endo, der fast nur Haut und Knochen war, kam auf ein Packpferd, das das zusätzliche Gewicht mit Gelassenheit hinnahm.
Ich übernahm mit Woldan die Spitze.
»Eine Sache bereitet mir Sorgen«, sagte ich ihm, als wir Felsdom verlassen hatten.
»Was ist das?«
»Die Stadt wurde offenbar nicht geplündert. Ausgeräumt, ja. Und Endo hat nichts von einem Angriff erzählt. Demnach …«
»… ist dieses Ultimatum noch gar nicht abgelaufen«, vervollständigte Woldan meinen Satz. »Und das bedeutet …«
»… dass die Männer des Hetmans noch kommen werden, und das wahrscheinlich recht bald«, beendete ich den seinen.
»Oh«, machte Woldan.
Dem konnte ich nicht viel hinzufügen.
9 Das Versteck
Die Strecke zum Versteck der Bewohner von Felsdom legten wir in jeder Hinsicht unspektakulär zurück. Zu Pferde brauchten wir etwa zwei Stunden, dann hatten wir die von Endo beschriebene Stelle erreicht. Hier war die Landschaft etwas hügelig, und die Erdhöhle befand sich nach Aussage des Jungen unter einem der größeren Hügel. Als wir diesen erreicht hatten, war nichts Ungewöhnliches zu erkennen, vor allem aber kein Eingang. Endo wies auf einen vertrockneten Baumstumpf.
»Daneben ist der verborgene Zugang«, erklärte er uns. »Er ist mit Erde und Gras bedeckt.«
Wir stiegen ab und untersuchten die Stelle. In der Tat, wenn man ganz genau hinsah, wurde Endos Information bestätigt. Mit einigem Aufwand wuchteten wir eine sehr massive Holzplatte hoch, die den Eingang freilegte. Ein Schacht wurde sichtbar, in dem eine Holzleiter stand, die rund drei Meter in die Tiefe führte. Die Sonne stand günstig, daher konnte ich den Schachtboden erkennen, genauso wie die Einmündung in den davon abzweigenden Gang. Ich kniff die Augen zusammen. Wenn mich mein Blick nicht täuschte, flackerte Licht. Es war ein unregelmäßiger Schein, wie von einer Öllampe, aber ohne Zweifel künstlichen Ursprungs. Wo es Lampen gab, gab es auch Menschen.
»Wir steigen hinab. Lorkos, du bleibst hier oben und hältst währenddessen Wache.«
Endo kam mit uns. Er wäre durch nichts davon abzuhalten gewesen, uns zu begleiten, beseelt von der Aussicht, wieder mit seiner Familie vereint zu werden.
Wir stiegen hinab.
Am Schachtboden angekommen, bestätigte sich meine Beobachtung. Ein Gang führte, leicht abschüssig, in den Hügel hinein und machte nach etwa vier Metern eine scharfe Rechtskurve. In der Biegung hing eine Öllampe in einer Halterung. Der Gestank des Öls reichte bis hierher. Es musste hier eine gewisse Ventilation geben, wahrscheinlich durch kleine, von oben kaum erkennbare Luftlöcher. Niemand schien unsere Ankunft bemerkt zu haben. Keine Wache aufzustellen, war ausgesprochen leichtsinnig.
Es war nicht sonderlich sinnvoll, sich zu sehr auf ein Versteck zu verlassen.
»Eingestürzt sieht hier nichts aus«, meinte Woldan.
Endo nickte. »Sie müssen es repariert haben. Es war wohl nicht so schlimm. Hätte ich das gewusst, wäre ich sofort hierher gekommen, um nach meiner Familie zu suchen.«
Ich bedeutete Woldan, den Gang auszukundschaften. Er zögerte nicht und ging vor. Dann hörte ich einen unerwarteten Laut von oben, einen unterdrückten Aufruf, und dann hektische Geräusche, deren Ursprung ich nur zu gut kannte. Ich trat an die Leiter, sah, wie Lorkos’ Hinterteil über der Öffnung sichtbar wurde, er nach hinten taumelte.
»Schnell!«, zischte ich einem meiner Männer zu. Dieser reagierte sofort, und das keine Sekunde zu spät: Lorkos fiel rücklings die Öffnung hinunter. Er schlitterte die Leiter entlang und fiel mit schwerem Aufprall in unsere Arme und Oberkörper, die wir als menschlichen Rammbock in Stellung gebracht hatten. Wir versuchten gar nicht erst, ihn aufzufangen, sondern ließen uns mit ihm zu Boden gehen. So blieben wir alle drei unverletzt.
Zumindest vom Aufprall. Lorkos hatte eine Fleischwunde am Arm, die heftig blutete, und eine böse Schwellung am Schädel. Wieder wurde es oben dunkel, und Gesichter erschienen. Ich zog mein Schwert.
»Hauptmann!«, hörte ich Woldan, sah mich um, erkannte, wie er mit gezogener Waffe auf
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