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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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aufgetaucht wäre, der alte Rechnungen mit sich herumträgt, die nun auf dem Rücken der hiesigen Bewohner beglichen werden.«
    Frederick räusperte sich. »So würde ich das nicht ausdrücken.«
    »Ich fand die Formulierung ganz gut«, entgegnete Mott trocken.
    Ich grinste ihn an. »Und es ist ein wahrer Kern darin«, erwiderte ich. »Die Wahrheit ist aber auch: Tulivar wurde deswegen für lange Zeit in Ruhe gelassen, weil es einen großen Krieg gab, der alle Aufmerksamkeit band. Nur so konnten auch die Bergstämme ungestört Felsdom angreifen, und das immer wieder. Ohne dass dem Kastellan dies zu Ohren getragen wurde.«
    Frederick blickte zu Boden. Es war nicht einmal als Vorwurf gemeint. Mit welchen Mitteln hätte er der Bedrohung Herr werden sollen?
    »Doch der Krieg ist vorbei«, fuhr ich fort. »Jetzt ändern sich die Dinge. Tulivars relative Isolation wäre so oder so am Ende, vielleicht nicht so schnell, aber genauso sicher. Tulivar ist und bleibt ein Teil des Reiches und damit auch Teil der Politik. Es hätte auf jeden Fall einen neuen Baron gegeben, früher oder später. Und ein jeder Baron wäre jemand gewesen, der belohnt worden wäre für das, was er im Krieg geleistet hat. Jetzt hat es mich getroffen. Wer sagt, dass es bei einem anderen Kandidaten besser gelaufen wäre?«
    Mott und Frederick sagten es nicht. Sie hörten nur zu.
    »Das Schicksal hat sich entschlossen, uns alle Steine auf einmal und gleich am Anfang in den Weg zu legen«, erklärte ich. »Das ist bedauerlich. Aber die Steine wären so oder so gekommen. Und es ist gut, wenn wir sie gleich wegschaffen, denn danach haben wir es leichter.«
    »In diesem Falle, Baron, bestehen diese Steine aber aus einer Söldnertruppe, der wir nichts entgegenzusetzen haben«, meinte Mott. »Und selbst wenn, dann wären viele Bürger kaum bereit, für einen Baron zu kämpfen, für den sie noch nicht ausreichend Loyalität empfinden, um ihr Leben aufs Spiel zu setzen.«
    Ich war schon dankbar, dass der Bürgermeister es für opportun gehalten hatte, das Wörtchen »noch« zu benutzen. Das ließ mir ein wenig Hoffnung für die Zukunft. Falls es eine Zukunft gab.
    »Ich befürchte, dass es auch keine besonders hilfreiche Entwicklung ist, wenn die Söldner zum gleichen Zeitpunkt eintreffen wie die Flüchtlinge aus Felsdom«, meinte Frederick. »Nicht zuletzt dürfte das Versprechen des Barons, dass die Leute hier sicherer seien, relativ hohl klingen.«
    Er warf mir einen bezeichnenden Blick zu, und jetzt war es an mir, zu Boden zu blicken. Wo der Kastellan recht hatte, hatte er recht. Ich stand vor einem Dilemma, und meine eigene Glaubwürdigkeit zu erhalten war dabei nur das kleinere Problem.
    »Ich sehe nur die Möglichkeit, den Turm so weit wie möglich für die Belagerung auszurüsten«, sagte ich schließlich. »Die Bevölkerung soll sich passiv verhalten. Bei einer Belagerung ist das Kräfteverhältnis nicht mehr so wichtig wie bei einer offenen Schlacht.«
    Es fiel mir schwer, bei insgesamt vielleicht 130 involvierten Soldaten von einer Schlacht zu sprechen. Ich hatte zu meiner besten Zeit als Hauptmann während des Krieges 800 Mann kommandiert, und wir waren eine kleine Einheit gewesen, für flexible Einsätze.
    Der Frieden, so schien es, rückte die Maßstäbe zurecht. Ich musste mir selbst immer wieder sagen, dass wir jetzt vor einer anderen Situation standen.
    »Können wir den Grafen zu Bell um Hilfe bitten?«, fragte Mott.
    »Der Graf zu Bell wird wissen, dass die Söldner unterwegs sind«, erwiderte ich. »Und man wird ihm von hoher Stelle nahegelegt haben, sich rauszuhalten. Sonst wären die Söldner gar nicht so weit gekommen.«
    »Oder er ist an dieser Sache beteiligt«, sagte der Kastellan düster.
    Ich machte eine wegwischende Handbewegung.
    »Derartige Spekulationen helfen uns nicht weiter.«
    »Ihr könntet auch den Turm räumen und versuchen, den Gegner anschließend aus dem Land heraus zu bekämpfen«, meinte Mott, der offenbar Angst um seine Stadt hatte.
    »Das stimmt«, räumte ich ein. »Das Problem liegt aber darin, wenn ich den Turm räume, gebe ich meinen Gegnern den Vorwand, mich offiziell absetzen zu lassen. Dann bin ich sozusagen vogelfrei.« Die Tatsache, dass die beiden Männer darauf nichts erwiderten, sprach Bände. Was sie dachten, war klar: »Was kümmert uns das? Ein Baron ist so gut wie ein anderer. Wir wollen bloß in Ruhe gelassen werden.«
    Ich wollte deswegen wütend werden, spürte aber, dass mir dazu die Kraft fehlte.

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