Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Andererseits hatte ich die feste Absicht, zu verteidigen, was rechtmäßig das meine war. Vielleicht war das Egoismus, aber ich war der Überzeugung, dass das Imperium mir etwas schuldig war. Wenn nun einer der einflussreichen Familien gestattet wurde, ihre Spielchen mit mir zu treiben …
Nun, das machte mich tatsächlich wütend.
Ich wandte mich an Frederick. »Sobald klar wird, dass sich die Söldner nähern, werden Sie den Hof räumen. Nehmen Sie alles mit, was Sie an Wertgegenständen besitzen. Beziehen Sie das Verwaltungsgebäude in der Stadt. Vergessen Sie keine Ihrer Töchter!«
Der Kastellan lächelte wehmütig. Ihm war klar, dass dieser Grund und Boden der Amtssitz des Barons war und dass er kein Besitzrecht auf den Hof hatte, ob sein Vater ihn nun gebaut hatte oder nicht. Mit etwas Glück würde er eine Belagerung überleben. Ich wollte ihm aber keine allzu großen Hoffnungen machen.
»Was erwartet Ihr von der Stadt, Baron?«, fragte Mott.
»Nichts. Die Leute sollen sich ruhig verhalten. Dann sollte ihnen nichts geschehen.«
Der Bürgermeister nickte. Er wusste so gut wie ich, dass mehr von den Bürgern der Baronie nicht zu erwarten war. Hätte ich einiges mehr an Zeit gehabt, um ein Band zwischen mir und meinen Untertanen zu schmieden, dann wäre es vielleicht anders gewesen.
»Und kümmern Sie sich um die Flüchtlinge aus Felsdom«, fügte ich noch hinzu.
Mott erhob sich. »Dann werde ich meine Leute informieren.«
Auch Frederick stand auf. »Und ich werde packen.«
Ich trat ins Freie. Es war später Nachmittag. Hoffentlich würde ich am Abend noch etwas von meinen Spähern hören, wahrscheinlich aber erst während der Nacht. Ich sah, wie meine Männer bereits am Turm arbeiteten, Vorräte einlagerten, vor allem Wasser. Zwei der Männer waren ordentliche Pfeilmacher und seit Tagen nur damit beschäftigt, Geschosse herzustellen. Der Schreiner aus Tulivar hatte bereits kurz nach meiner Abreise gen Felsdom damit begonnen, eine schwenkbare, schwere Armbrust wiederherzustellen, deren Reste er auf der Turmspitze entdeckt hatte. Ich hörte, dass er sie morgen aufbauen wollte. Das würde uns einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffen.
Ich beschloss, nicht länger über mein Schicksal nachzugrübeln, und beteiligte mich stattdessen tatkräftig an den Vorbereitungen. Meine Männer arbeiteten hart und professionell, doch es war nicht zu verkennen, dass die Stimmung gedrückt war. Alle hatten sie gehofft, dass die Jahre des Krieges nun ein Ende hätten und der Feind künftig nur noch aus dem gelegentlichen Banditen bestehen würde und sich auf ein friedliches Leben gefreut. Sie waren alle keine Söldnertypen, sondern letztlich rechtschaffene Männer, die endlich ein anderes, besseres Leben führen wollten, wobei ihre Maßstäbe bereits sehr bescheiden waren. Etwas ruhiger. Etwas weniger entbehrungsreich. Ein wenig Fett ansetzen vielleicht.
Ich hatte ähnliche, sehr begrenzte Wünsche gehabt. Und da man mir jetzt selbst das nehmen wollte, war ich wild entschlossen, es mir nicht kampflos nehmen zu lassen. Und die gleiche düstere Entschlossenheit trieb auch meine Kameraden voran. Ich lächelte grimmig. Wer auch immer uns da angreifen würde, er würde kein leichtes Spiel haben. Dies würde ein teurer Spaß werden, und die Währung hieß Blut und Schmerz.
Es wurde bereits dunkel, als eine verdreckte und stinkende Gestalt auf mich zukam. Ich hatte den Sergeanten, den Helfer des Kastellans, Bewohner des Schweinestalls, schon einige Zeit nicht gesehen und vermutet, dass er auf den Feldern arbeitete. Der abgerissene Mann trat vor mich und der Geruch, den er ausströmte, war scharf und schwer. Ich machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Er schien es mir nicht übel zu nehmen.
Der Sergeant war ein großer, breiter Mann. Unter seinen Lumpen erkannte ich Muskeln, und sein wilder Bart, kaum gepflegt, verbarg den Ausdruck seines Gesichts. Seit mir der Kastellan erklärt hatte, welches Schicksal dieser Mann erlitten hatte, war ich ihm mehr oder weniger aus dem Weg gegangen. Ich wollte nicht aus Versehen, als Repräsentant jener Ordnung, die letztlich für das Auseinanderbrechen seiner Familie verantwortlich war, Erinnerungen hervorrufen. Er arbeitete als Arbeiter für Frederick, und das genügte mir zu wissen. War er nicht auf dem Feld, hockte er in seiner Ecke des Schweinegeheges, mit sich selbst beschäftigt, nicht einmal besonders von seinen rosafarbenen Gefährten beachtet, die ihn offenbar akzeptiert
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