Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
hatte auch schon ein Opfer auserkoren. Es würde keinem der Beteiligten Freude bereiten, aber es war an der Zeit, andere Saiten aufzuziehen.
Ich war entschlossen.
Aber mir war nicht wohl bei der Sache.
16 Dorfschulzen
»Das kann nicht dein Ernst sein, Hauptmann!«
»Du bekommst ein Haus.«
»Du bist bekloppt.«
Ich beschloss, diesen Mangel an Respekt gegenüber meinem herrschaftlichen Selbst zu ignorieren. Das fiel mir schon aus dem Grund relativ leicht, da ich Woldans Hilfe dringend benötigte.
»Mit Garten. Du wolltest immer einen Garten.«
»Ich will mich nicht zur Ruhe setzen, verdammt!«
Das war der erste Knackpunkt. Woldan gehörte zu den ältesten meiner Männer und hätte es sich natürlich längst verdient, ein beschauliches Leben zu führen. Aber er gehörte zu diesen treuen Geistern, die immer irgendwo eine Verpflichtung sahen, und ich konnte ihn sogar ganz gut verstehen. Wir hatten gemeinsam eine Menge durchgemacht. Aber genauso, wie ich als Baron ein ganz neues Kapitel meines Lebens aufgeschlagen hatte, war es nun auch an Woldan, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Er wusste es nur noch nicht richtig.
»Ich zahle dir einen Sold«, ergänzte ich. »Entsprechend musst du dich nicht darauf verlassen, dass die Bewohner Floßheims dich alimentieren werden.«
»Die Bewohner Floßheims werden mich umbringen!«
Das war der zweite Knackpunkt. Die Verfassung des Imperiums sah diverse Möglichkeiten vor, einen Dorfschulzen zu ernennen. Nur zwei davon wurden gemeinhin tatsächlich eingesetzt: Am häufigsten ging man davon aus, dass die wahlberechtigten Bewohner einer Ansiedlung sich ihren Vorsteher selbst wählten. Dies geschah normalerweise in einem Turnus von zehn Jahren, mit einer beliebig häufigen Wiederwahl. Wahlberechtigt waren dabei entweder alle männlichen Bürger oder jene, die Landbesitz hatten. Letzteres war aber Gewohnheitsrecht, und es war der regionale Oberherr, der das festlegte.
Dieser konnte auch einfach einen Dorfschulzen ernennen. Das war die zweithäufigste Methode, vor allem dann angewandt, wenn eine Siedlung so zerstritten war, dass sie sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnte (»Wahl« konnte auf dem Land durchaus unterschiedliche Bedeutungen haben), oder wenn sich überhaupt niemand fand, diese lästige Position auszufüllen. Lästig war sie vor allem dann, wenn der Oberherr den Posten nicht entlohnte, sondern erwartete, dass die Wahlbürger ihren Schulzen bezahlten. Das taten diese nicht gerne, sodass man sie schon mal dazu zwingen musste.
»Ich werde dich nicht einfach ernennen. Aber ich habe in die Aufzeichnungen geschaut. In diesem Jahr ist in Floßheim eine Wahl fällig. Du wirst dich als Kandidat aufstellen. Ich kaufe dir ein Haus, damit bist du in jedem Falle wahlberechtigt. Und ich verschaffe dir einen Vorteil!«
Woldan sah mich misstrauisch an. »Welchen? Eine Armee?«
»Ich werde den Frauen erlauben, an der Wahl teilzunehmen.«
Mein alter Weggefährte spuckte auf den Boden. »So schön bin ich auch nicht.«
»Wir verdoppeln damit die Anzahl der Wahlberechtigten. Du wirst ordentlich Wahlkampf machen.«
»Jeden umbringen, der gegen mich ist?«
Ich seufzte. Woldan war, obgleich er viel herumgekommen war, tief in seinem Herzen ein Landei. Er hatte wenig von dem mitbekommen, was gemeinhin in den großen Städten des Reiches betrieben wurde, wenn eine Bürgermeisterwahl anstand. Er würde noch einiges lernen müssen, wenn das funktionieren sollte.
»Du hast ein erstes Unterstützerteam«, meinte ich. »Acht der zurückgekehrten Krieger stammen aus Floßheim und haben sich dort wieder angesiedelt. Sie werden dir helfen, da bin ich mir sicher.«
»Bleibt der Rest.«
»Woldan, ich brauche dich. Mit Lorn kann ich nicht arbeiten. Niemand kann mit ihm arbeiten. Floßheim muss sich verändern, und das rasch. Ich kann den Mann nicht einfach absetzen.«
Woldan schloss den bereits wieder geöffneten Mund. Exakt das hatte er wohl gerade vorschlagen wollen.
»Ich muss ihm einen ordnungsgemäßen, nicht einen willkürlichen Abgang verschaffen.«
Woldan schüttelte den Kopf. »Das wird so nicht klappen, Hauptmann. Niemand wählt auf dem Land einen Dorfschulzen ab, wenn er sich nicht ganz übler Verfehlungen schuldig gemacht hat. Und Lorn mag ein hinterwäldlerischer Kauz sein, aber er tat genau das, was alle von ihm erwartet haben: möglichst wenig – und etwas verändern schon gar nicht.«
Ich senkte den Kopf. Woldan war noch nicht fertig.
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