Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Floßheim eine Anlegestelle, bei der alten Brücke.«
»Alte Brücke?«
»Die Pontonbrücke ist bloß ein Notbehelf. Früher gab es eine Steinbrücke, mit einem großen Bogen, unter den Frachtboote durchpassten. Diese war größer als Eure Neukonstruktion, wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt.«
Ich erlaubte ihm alles.
»Eine Anlegestelle also?«
»Darüber hat mein Vater einiges an Handel abgewickelt.«
»Und was ist das mit dem Pier gewesen?«
Lotvar zeigte seine Handflächen. »Ihr habt von Seeheim gehört?«
»Das aufgegebene Fischerdorf an der See?«
»Genau. Dort stand der große Pier, ging gut einhundert Meter in die Bucht hinein. Einmal im Monat machte eine Karavelle aus Plutor fest, zweimal im Jahr ein Küstensegler aus Nolt. Mein Vater hat diese Schiffe immer mit Fässern füllen können, zusammen mit den Teppichen, natürlich.«
Ich schaute in meinen kleinen, irdenen Schnapsbecher und Lotvar goss nach.
»Teppiche?«, sagte ich langsam.
Lotvar nickte und trank. Er mochte seinen Schnaps.
»Ja, aus der Manufaktur. Mott, hast du ihm nie die Manufaktur gezeigt?«
Der Bürgermeister machte eine abwehrende Handbewegung. »Das sind doch nur noch Ruinen. Was soll ich ihm da zeigen?«
Ich schüttelte den Kopf. Es war eine Qual, dass mir alles immer nur stückchenweise mitgeteilt wurde. So konnte ich nicht arbeiten.
»Über die Teppiche reden wir später«, sagte ich mit mustergültiger Selbstbeherrschung. »Bleiben wir beim Schnaps.«
Lotvar goss ein. Mir war schon ein wenig schwindelig.
»Wenn es uns gelänge, die Anlegestelle in Floßheim wieder aufzubauen, wie wahrscheinlich wäre es dann, dass diese auch genutzt werden könnte?«, fragte ich.
»Das müsst Ihr Lorn fragen, der hat den Handel ja letztlich kaputt gemacht«, meinte Lotvar.
»Der Dorfschulze?«
»Er hat eine Anlegesteuer von fünf Silberstücken erhoben. Daraufhin sind die Flusshändler fortgeblieben. Nichts gegen eine Gebühr zum Erhalt der Anlegestelle, das zahlt man überall. Aber fünf Silbermünzen? Das ist albern.«
Ich starrte leicht glasigen Blickes auf meinen Schnapsbecher und zog ihn geistesgegenwärtig weg, als Lotvar wieder eingießen wollte. Ich war sehr daran interessiert, diesen Teil unserer Konversation bis zum Ende zu führen. Ich würde mich auch gerne morgen noch daran erinnern können.
»Warum hat Lorn das gemacht?«
Lotvar zuckte mit den Schultern. »Die Flusshändler haben zu viel Lärm gemacht. Das Haus des Dorfschulzen stand direkt neben der Anlegestelle. So sagt man.«
Ich sah Mott an, der zufrieden gluckste und seinen Schnaps leerte. Der Bürgermeister war bloß noch ein aufrecht sitzender, lebender Schnapsbehälter und würde keinen sinnvollen Beitrag mehr leisten.
»Das kann ich mir …«, murmelte ich. »Wie kommt es, dass Lorn immer noch Dorfschulze ist?«
»Die Bewohner Floßheims sind etwas konservativ«, meinte Lotvar. Das hielt ich für gehörig untertrieben. »Niemand fand, dass Veränderung gut sei. Und es gab nie einen Gegenkandidaten.«
Ich erhob mich. Das dauerte ein wenig länger als gedacht.
»Ich kümmere mich darum«, versprach ich. »Ich komme wieder.«
Lotvar lächelte erfreut. »Endlich jemand, der etwas tut.« Er erhob sich federleicht und sicher. Der Schnapsbrenner war nach einer halben Flasche gerade mal auf Arbeitstemperatur gekommen. Er wirkte ausgesprochen dynamisch.
Mott gluckste etwas und kicherte.
»Er wird mir vom Pferd fallen«, sagte ich.
»Ich lasse ihn mit dem Karren in die Stadt bringen«, bot Lotvar an. »Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Aber nicht sofort. Er muss erst etwas ausnüchtern. Er bekommt ein ordentliches Mahl und wäscht sich das Gesicht und hält dann vielleicht noch ein Nickerchen. Dalina verbietet ihm, allzu viel zu trinken. Er bekommt großen Ärger, wenn er so nach Hause kommt.«
Die Erwähnung des Namens seiner Tochter beendete Motts Gluckserei. Er sah plötzlich sehr nüchtern aus, starrte Lotvar an und sagte mit betonter Artikulation: »Etwas essen wäre jetzt nicht schlecht, alter Freund.« Dann nickte er betont.
Ich hob die Hände. »Ich überlasse Mott Ihrer Obhut!«, erklärte ich mich einverstanden.
Wenige Minuten später stand ich vor meinem Pferd und fragte mich, wie ich es wohl erklimmen könnte. Es gelang mir nach reichlicher Überlegung ganz gut.
Ich mochte etwas beschwipst sein, aber der Ritt zum Turm weckte meine Lebensgeister. Als ich dort ankam, hatte ich eine ziemlich genaue Idee, was jetzt zu tun war. Und ich
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