Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Erfüllung der ehelichen Pflichten. Kommt er auch noch so spät nach Hause, ich soll für ihn bereit sein. Aber wenn ich etwas will, dann … Er ist ein geiler, alter Bock, der sich von niemandem etwas sagen lässt.«
»Das wird sich nicht ändern, wenn er wieder zum Dorfschulzen gewählt wird«, meinte Netty und spielte mit einem Apfel in ihren Händen. »Jetzt, wo der Baron wichtige Reformen durchsetzt, wird er sich noch mehr in seine Arbeit vergraben, denn er schätzt die Dinge nicht, die der Baron durchsetzt. Das Frauenwahlrecht war ja nur der erste Schritt. Es soll wirtschaftlich aufwärtsgehen mit Tulivar.«
»Die neue Brücke ist toll!«, lächelte Glora mir wieder zu.
Ich wollte sie umarmen. Allein dafür hätte ich zehn Brücken errichten lassen.
»Lorn ist gegen die Brücke gewesen«, meinte ich vorsichtig.
»Lorn ist ein Idiot.«
Ich sagte nichts.
Glora schaute für einen Moment aus dem Fenster. »Ja, Netty. Es wird nicht leichter werden, jetzt, wo Lorn jemanden hat, gegen den er arbeiten kann. Ich werde weiterhin über Jahre alles alleine machen müssen.« Sie seufzte. »Meine Töchter sind aus dem Haus und können mir auch nicht mehr helfen.«
»Es gibt natürlich eine Möglichkeit«, murmelte Netty beiläufig.
»Was denn?«
»Er muss ja nicht mehr kandidieren.«
Glora starrte Netty an. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Das ist unmöglich. Er ist fest entschlossen.«
»Das kann man ja ändern.«
»Wie nur?«
Netty lehnte sich zurück. »Du könntest es ändern.«
»Ich?«, stieß Glora ungläubig hervor.
Ich wusste jetzt, wo das Problem lag. Diese Frau war schlicht zu gutmütig, um von alleine auf die erpresserischen und hinterhältigen Gedanken zu kommen, die Netty beständig mit sich herumzutragen schien. Ich verspürte jetzt fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen.
»Er ist ein alter geiler Bock, hast du gesagt«, meinte Netty.
»Oh ja!«
»Dann solltest du ihm klarmachen, dass ihm der Zugang zu ehelichen Freuden verwehrt bleibt, sollte er sich weiter um das Amt des Dorfschulzen bemühen.«
Glora blickte Netty aus großen Augen an. Für einen Moment befürchtete ich, dass sie diesen entsetzlichen Gedanken mit Vehemenz ablehnen würde, doch dann funkelte es in ihren Augen, und ich revidierte meine eben gefasste Einschätzung. Derart gutmütig war Glora dann auch wieder nicht.
Es wurde ein sehr angenehmes zweites Frühstück. Ich beteiligte mich nur dann am Gespräch, wenn ich gebeten wurde, meine Zukunftspläne für die Baronie zu erörtern. Glora hielt offenbar eine Menge von einem gesunden Maß an Fortschritt und Veränderung, vor allem in Bezug auf das Verhalten ihres Mannes. Als wir das Haus des Dorfschulzen verließen, hatte ich das Gefühl, alles Notwendige getan zu haben.
Zwei Tage später gab Lorn bekannt, nicht wieder für das Amt des Dorfschulzen kandidieren zu wollen.
Stattdessen schickte er einen alten Vertrauten namens Guilat ins Rennen.
Damit war die Sache für Woldan gelaufen.
Einen Tag vor der Wahl war ich erneut nach Floßheim gereist. Es war ein kalter Tag im Spätherbst, aber sehr klar, mit frischer Luft. Offiziell war ich hierher gekommen, um die Brücke sowie meinen Wachposten zu inspizieren, und natürlich auch, um den neu gewählten Dorfschulzen zu bestätigen. Auf dem Marktplatz war ein großer Tisch aufgebaut worden, hinter ihm hatte das Wahlkomitee Platz genommen. Da kaum jemand lesen und schreiben konnte, wurde die Wahl durch Angabe des Wunschkandidaten beim Dorfschreiber durchgeführt. Damit war sie nicht sonderlich geheim, aber das war auch durchaus so üblich. Ich kannte nur eine Wahl, die wirklich geheim durchgeführt wurde: die des Adelsparlaments bei der Benennung des Kronrates. Ansonsten nahm man das nicht so eng.
Auch ich wollte gerne sehen, wie sich die Sache entwickelte. Ich nahm es daher auf mich, den Wahltag auf einem wackeligen Stuhl neben dem leicht nervösen Dorfschreiber zu verbringen. Ich half ihm, das bereits vorher ausgefüllte Wahlprotokoll, in dem Guilat mit überzeugender Mehrheit zum Sieger erklärt wurde, in ein wärmendes Feuer zu verwandeln. Es war wirklich kalt und ich hatte zu unser beider Wohl einen tragbaren Feldofen mitgebracht.
Er leistete uns gute Dienste.
Es wurde ein ruhiger Wahltag.
Woldan gewann bei einer Wahlbeteiligung von 120 Dorfbewohnern mit 72 Stimmen. Als ich ihm zur Wahl gratulierte, lächelte er mich etwas säuerlich an. Ich klopfte ihm auf die Schulter, sagte einige aufmunternde Worte und war
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