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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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heilfroh, nicht in seinen Schuhen zu stecken.
    Dann reiste ich rasch wieder ab.

18   Der Zehnte
     
    Hier im Norden fiel der Schnee vergleichsweise früh. Es war noch gar nicht richtig Winter, da entdeckte ich eines Morgens, als ich aus dem Fenster meines Turmzimmers ins Freie blickte, eine dünne, weiße Decke, die sich in der Nacht über das Land gelegt hatte. Ich verlor mich einige Augenblicke in der Betrachtung dieses Anblicks, der auf wundersame Weise auch all die üblichen Geräusche eines betriebsamen Morgens zu überdecken schien. Es war, als sei alles in weiße Wolle verpackt worden. Ich ließ mir Zeit mit dem Frühstück.
    Als ich den Turm verließ und auf den Hof dessen trat, was mittlerweile alle das Kastell nannten, sog ich die kühle Luft in vollen Zügen ein. Die Familie des Kastellans sowie meine Männer waren bereits mit allerlei Tagwerk beschäftigt. Tatsächlich war die eine Gruppe nicht mehr eindeutig von der anderen zu trennen: Erwartungsgemäß waren zwei der Töchter Fredericks in den erwartungsvollen Zustand der Schwangerschaft getreten, und es hatte nur kurzer Ermittlungen bedurft, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich war. Zu meiner Erleichterung war es nicht Selur, der wahrscheinlich bereits Vater vieler Kinder war, sondern zwei meiner weniger ausschweifenden Kameraden, die sich nach einigen Ermahnungen bereit erklärten, die jungen Frauen ehrbar zu machen und zu ehelichen. Dazu beigetragen hatte möglicherweise auch, dass Frederick einige Tage morgens um fünf betont laut und lange die große Sense am Schleifstein geschärft hatte, was aufgrund des kreischenden Geräusches aber auch wirklich niemandem entgangen war. Man konnte mit ihr mittlerweile ohne großen Aufwand Granit durchtrennen. Ob damit tatsächlich eine Nachricht verbunden gewesen war oder ob der Kastellan sich bloß gelangweilt hatte, war im Nachhinein nicht mehr festzustellen.
    Ich wanderte über den Hof, begrüßte den einen oder anderen meiner Männer und kletterte die hölzerne Truppe zum Wehrgang hoch, der hinter der Mauer die Grenze meines Kastells markierte.
    Zu meiner Überraschung fand ich Frederick dort vor. Stufen gehörten normalerweise zu seinen natürlichen Feinden, daher erklomm er diese nur in absoluten Notfällen. Dass er zu so früher Stunde hier stand und angestrengt gen Süden blickte, direkt auf die Straße in Richtung Floßheim, gab mir zu denken.
    »Guten Morgen, werter Kastellan«, grüßte ich in betonter Fröhlichkeit. »Gibt es etwas Neues?«
    Anstatt einer Antwort hielt mir Frederick ein Papier hin. Offenbar war letzte Nacht ein Bote angekommen. Ich erkannte Woldans Handschrift sofort. Die Nachricht stammte aus Floßheim.
    »Hauptmann«, stand dort geschrieben, »heute Abend ist der Steuereintreiber in Floßheim eingetroffen. Ich halte ihn hier auf, solange ich kann, aber ich verspreche mir nicht viel davon. Verstecke alles. Iss drei Tage lang nichts. Vergifte den Wein.«
    Ich grinste. Woldan hielt von Steuereintreibern so viel wie ich. Aber es war das eine, dieser Kategorie Bediensteter eine gesunde Ablehnung gegenüber zu entwickeln, während man selbst vom Ertrag der Steuern seinen Sold bezahlt bekam und als Soldat keine zahlen musste, und es war das andere, als Baron des Imperiums exakt diese Steuern eintreiben und für ihre korrekte Zahlung geradestehen zu müssen.
    Nun, ich hatte damit gerechnet. Es war Herbst, und es war die Zeit des Zehnten. Das Imperium brauchte dringend Geld. Das Reich lag in Trümmern und alleine die Aufbauarbeiten in der Hauptstadt, bei der die entscheidende Schlacht geschlagen worden war, verschlangen Unsummen. Wege und Straßen mussten wiederhergestellt werden, verwüstete Landstriche von Magiern gesäubert, vor allem dort, wo sie durch üble Zauber infiziert worden waren und brachlagen. All dies kostete Geld, und wo nahm man es her, wenn man der oberste Herrscher war? Selbstredend von den Untertanen.
    Und ich war dafür mit verantwortlich, ob ich wollte oder nicht.
    Ich befolgte die Anweisungen Woldans nicht. Es wäre eine Scharade, und sie würde zu nichts führen, denn ich hatte in den letzten Monaten doch genau das Gegenteil getan: die Baronie verschönert, überall renoviert und wieder aufgebaut, vor allem die Hauptstadt selbst. Wenn der Eintreiber sich in der Gegend auskannte – und das war zu erwarten –, würde ihm der Unterschied nicht entgehen. Es war irrig anzunehmen, dass sich so jemand leicht täuschen lassen würde.
    Dennoch hatte ich selbst

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