Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
nicht, ob das tatsächlich gut war. Es musste für den gewieften Eintreiber wie eine Warnung erscheinen. Andererseits musste er aufgrund langjähriger Berufserfahrung mit einer gewissen defensiven Haltung leben können. Es war ja nicht so, dass er irgendwo im Reich mit offenen Armen empfangen wurde, selbst nicht von denen, die generell zahlungsfähig und -willig waren.
Schon aus Prinzip.
Und so ging der Lord zu Bett, satt, aber wahrscheinlich nicht zufrieden.
Mott und ich standen in der kühlen Abendluft, und wir wirkten beide nicht sonderlich glücklich. Es war noch nicht so spät – der Eintreiber hatte sich früh zurückgezogen – und ich starrte auf die Lichter des Turms, in dem sich die Männer Olifeks für die Nacht vorbereiteten. Ich hatte von Mott eine Kammer in seinem Haus bekommen, sodass ich meine Knochen nicht der kalten Nacht aussetzen musste. Ich stellte fest, dass das Leben als Baron mich ganz langsam etwas bequem zu machen drohte, kam aber recht schnell zu dem Ergebnis, dass ich mir das redlich verdient hatte.
Es war anstrengend, immer der Harte zu sein. Und ein weiches Bett war in jedem Falle dem harten Lager in einem Zelt vorzuziehen. Ich sah mich um. Ich wäre offenbar auch der Einzige gewesen. Von der Nachtwache abgesehen, hatten sich meine Männer in die Stadt begeben. Ich hatte das Gefühl, dass sie alle in dem einen oder anderen Bett landen würden. Selur wahrscheinlich gleich in mehreren.
»Gehen wir«, meinte Mott und wies auf seinen Eselskarren. Ich schwang mich neben ihn auf den Bock und der Bürgermeister schnalzte mit der Zunge. Der Esel warf mir einen leidgeprüften Blick zu. Da er aber wohlgenährt wirkte und gerade einige Stunden Ruhe gehabt hatte, gab ich den Blick mit hoheitsvoller Entschlossenheit zurück. Der Esel schüttelte den Kopf, atmete noch einmal tief ein und setzte sich dann in Bewegung.
Für einige Minuten sagten wir nichts. Der Karren passierte das Tor des Kastells, dann holperte er über die Straße auf Tulivar zu. Ich zog meinen Mantel zu. Es war wirklich empfindlich kalt geworden. Die Wärme der Mahlzeit und von Lotvars Schnaps hielt nicht lange vor. Ich starrte gedankenverloren auf den Weg. Mott musste den Esel kaum dirigieren. Das Tier wusste genau, wo entlang es in Richtung des heimatlichen Stalls ging, dem Ende der unwürdigen Plackerei entgegen.
Als wir uns dem Stadttor Tulivars näherten – das trotz Ermangelung einer umfassenden Stadtmauer geschlossen war, um zu signalisieren, dass man eigentlich keinen nächtlichen Verkehr schätzte –, bewegte sich Mott und zeigte, dass er etwas zu sagen wünschte.
»Baron«, begann er und kratzte sich am Kinn. »Dalina hat nach Euch gefragt.«
Ich war plötzlich sehr wach.
»Ja …?«
»Ihr habt uns in den letzten Wochen nicht oft besucht.«
»Ich war sehr beschäftigt.«
Mott nickte. »Das stimmt. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass meine Tochter … Nun, ich bin nur ein alter Mann und diese Dinge liegen für mich weit zurück … und es ist nicht an mir … Sie ist ja nun schon Mitte 20 und seit Langem nicht mehr … äh …« Mott räusperte sich.
Ich wusste, wie er sich fühlte. Ich war auch etwas um Worte verlegen, deswegen grunzte ich nur einladend, damit er sich ermutigt fühlte weiterzusprechen.
»Jedenfalls … ich habe schon den Eindruck … und Netty auch … dass Dalina durchaus … nicht, dass ich da etwa drängen möchte … also …« Mott hielt hilflos inne und starrte auf den sich nur noch schwach abzeichnenden Weg vor uns. »Ich glaube, Baron, wenn Ihr etwas für meine Tochter empfindet, dann stünde es Euch gut zu Gesicht, endlich den entscheidenden Schritt zu tun.«
An diesem Satz hatte er lange gearbeitet, also war es ein Zeichen notwendigen Respekts, ihm darauf eine angemessene Antwort zu geben.
»Ich bin mir nicht sicher …«
»Über Eure Gefühle?«
»Äh, o nein, ich meine, doch, also, ich kann nicht umhin, hier …«
»Ihr habt Euch in Dalina verliebt?«
Ich brach meine Versuche, mich deutlich zu artikulieren, einfach ab und nickte.
»Man sollte meinen, ein weltläufiger Krieger wie Ihr seid erfahren im Umgang mit Frauen«, mutmaßte Mott.
»Es ist so«, antwortete ich langsam. »Frauen gibt es viele im Krieg. Jene, die damit ihr Geld verdienen, den Soldaten Entspannung zu bereiten. Jene, die einen Helden für spannend halten und auf ein Abenteuer aus sind. Jene, die sich von einem aufstrebenden Hauptmann ein sicheres Auskommen und gesellschaftliches Ansehen versprechen.
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