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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gefährlichste Stück Arbeit – es ging dabei um Tod und Leben.
    »Keine Bewegung! ermahnte er zum letzten Male den Fremden. Wenn Sie Beide abglitten, wäre ich, da meine Lage zu unsicher ist, nicht im Stande, Sie zurückzuhalten und Sie wären Beide verloren!
    – Sei ohne Sorge, Joël, antwortete Hulda. Denke nur an Dich und. Gott möge Dir beistehen.«
    Joël begann nun auf dem Bauch zu kriechen, indem er sich wirklich wie in Schlangenwindungen vorwärts schob. Zwei-oder dreimal fühlte er, daß ihm jeder Stützpunkt fehlte; endlich gelang es ihm aber mit Aufwand aller Geschicklichkeit, bis zu dem Reisenden hinauf zu kommen.
    Dieser, ein zwar schon etwas bejahrter, aber doch noch recht rüstiger, gut erhaltener Mann, zeigte ein hübsches, einnehmendes und lächelndes Gesicht. Joël hatte wirklich eher erwartet, hier einen jungen Wagehals zu finden, der es unbedacht versucht hatte, über den Maristien weg zu gehen.
    »Das war recht unklug, was Sie da begonnen haben, bester Herr, sagte er, sich halb niederlegend, um ein wenig Athem zu schöpfen.
    – Wie, das war unklug? erwiderte der Reisende, sagen Sie lieber, es war die reine Tollheit!
    – Sie haben Ihr Leben auf’s Spiel gesetzt…
    – Ich bin Schuld, daß Sie mir das nachgethan haben.
    – Ich?… O, das ist so mein Geschäft!« antwortete Joël.
    Dann stand er auf.
    »Jetzt, sagte er, handelt es sich darum, wieder nach oben zu gelangen. Doch das Schwerste ist ja schon geschehen.
    – Oh, das Schwerste!…
    – Ja, lieber Herr, das Schwerste war es, hier zu Ihnen zu kommen. Jetzt brauchen wir nur einen weniger steilen Abhang hinaufzuklimmen.
    – Dabei dürften Sie freilich gut thun, nicht zu viel auf mich zu rechnen, junger Mann. Das eine meiner Beine wird mir wohl jeden Dienst versagen, und wahrscheinlich jetzt ebenso, wie noch im Verlauf mehrerer Tage.
    – Versuchen Sie, sich zu erheben.
    – Recht gern… das heißt mit Ihrer Hilfe.
    – Sie nehmen den Arm meiner Schwester; ich werde Sie unterstützen und schiebe Sie vorwärts.
    – Werden Sie fest halten können?
    – Ganz fest.
    – Nun gut, lieber Freund, ich verlasse mich ganz auf Euch. Da Ihr nun einmal den Gedanken gehabt, mich aus der Klemme zu befreien, müßt Ihr schon sehen, wie Ihr damit fertig werdet.«
    Alle begannen, wie Joël angeordnet hatte, den Rückweg. Wenn dieses Erklimmen des obersten Felsrückens auch nicht ganz gefahrlos war, so ging die Sache doch besser, als sie gehofft hatten. Der Reisende war in der That ohne Knochenbruch und Gliederverrenkung davongekommen, er hatte sich nur eine ziemlich lange und tiefreichende Abschürfung der Haut zugezogen. Jedenfalls konnte er aber beide Beine besser brauchen, als er vorher selbst glaubte, wenn es auch nicht ohne Schmerz für ihn abging. Zehn Minuten später waren Alle jenseits des Maristien in Sicherheit.
    Hier hätte der Fremde unter den ersten Weiden, welche den oberen Fjeld des Rjukansos begrenzten, etwas ausruhen können; Joël muthete ihm aber noch eine weitere kleine Anstrengung zu. Es lag ihm daran, eine unter Bäumen verlorene Hütte, wenige Schritte hinter dem Felsen, wo er mit seiner Schwester gesessen hatte, als sie nach dem Falle kamen, zu erreichen. Der Reisende versuchte bereitwillig dieser Aufforderung nachzukommen, und auf der einen Seite von Hulda, auf der anderen von Joël unterstützt, gelang es ihm auch, und er stand bald, ohne zu viel gelitten zu haben, vor der Thür der Hütte.
    »Treten Sie ein, mein Herr, sagte das junge Mädchen, hier können Sie besser einen Augenblick ausruhen.
    – Wird dieser Augenblick sich auf eine gute Viertelstunde ausdehnen dürfen?
    – Gewiß, werther Herr; dann werden Sie sich aber schon dazu verstehen müssen, mit uns bis nach Dal zu gehen.
    – Nach Dal?… O, gerade dahin wollte ich mich ja begeben.
    – Wären Sie vielleicht der Reisende, fragte Joël, der vom Norden herkommt und dessen Eintreffen mir von Hardanger angemeldet wurde?
    – Derselbe.
    – Meiner Treu, da hatten Sie nicht gerade den besten Weg eingeschlagen…
    – Ich hege daran auch einigen Zweifel.
    – Und wenn ich hätte voraussehen können, was Ihnen widerfahren ist, hätte ich Sie bestimmt an der anderen Seite des Rjukansos erwartet.
    – Das wäre freilich ein recht glücklicher Einfall gewesen, mein wackerer, junger Mann. Sie hätten mir da eine für mein Alter ganz unverzeihliche Unbesonnenheit erspart.
    – Für jedes Alter, werther Herr!« ließ sich Hulda vernehmen.
    Alle Drei betraten nun die Hütte,

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