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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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optische Wirkung, die ihn sehr klein und deshalb weit entfernter, als er wirklich von ihnen war, erscheinen ließ.
    In diesem Augenblick hatte sich der Reisende gerade erhoben und wagte sich schon ziemlich unbedacht auf einen Felsenvorsprung hinaus, der kuppelartig über das Bett des Maan hinausging.
    Er wollte offenbar die beiden Höhlen des Rjukansos, eine zur rechten, die andere zur linken, sehen, von denen die erstere immer mit dichten Dunstmassen, die zweite von brodelndem Wasser erfüllt ist. Vielleicht suchte er auch zu erkennen, ob sich nicht noch eine dritte niedrigere, etwa in halber Höhe des Falles gelegene Höhle entdecken ließe. Dadurch würde sich nämlich erklären, warum der Rjukan, nachdem er in eine solche gestürzt, zu gewissen Perioden in starkem Schwalle rückwärts zu springen scheint. Man möchte sagen, das Wasser würde durch eine Minensprengung, welche durch ihre Dampfwolken die umgebenden Fjelds verhüllt, in die Höhe geschleudert.
    Noch immer schritt der Tourist auf diesem abgerundeten, steinigen und schlüpfrigen Rücken weiter vor, auf dem sich keine Baumwurzel, kein Gras oder Strauch findet und der den Namen Maristien führt.
    Der Unvorsichtige kannte offenbar die Fabel nicht, welche diese Stelle berühmt gemacht hat. Eines Tages wollte Eystein auf diesem gefährlichen Wege die schöne Mari von Vestfjorddal besuchen. Von der anderen Seite der Bergschlucht streckte ihm seine Braut die Arme entgegen. Plötzlich verliert er den Halt, fällt und gleitet aus, ohne sich auf der eisglatten Felsfläche anklammern zu können, und verschwindet im Abgrund, ohne daß die Stromschnellen des Maan je nur seinen Leichnam wieder zurückgegeben hätten.
     

    Sie saßen auf einem Felsstück, gegenüber dem Falle. (S. 62.)
     
    Was dem unglücklichen Eystein widerfahren war, sollte das auch dem Unbesonnenen begegnen, der sich auf diesem Abhang des Rjukansos immer weiter vorwagte?
    Es war das wohl zu fürchten. Er wurde auch endlich selbst der Gefahr gewahr, doch leider zu spät. Plötzlich fehlte seinem Fuße jeder Stützpunkt er stieß einen Schrei aus, rollte etwa zwanzig Schritt weit hinunter und hatte nur noch Zeit, sich an einem vorspringenden Felsstück, dicht am Rande des Abgrundes festzuhalten.
    Joël und Hulda hatten ihn auch jetzt noch nicht bemerkt, wohl aber ihn nun gehört.
    »Was war das? rief Joël sich erhebend.
    – Ein Schrei, antwortete Hulda.
    – Ja… Ein Verzweiflungsschrei!
    – Von welcher Seite?…
    – Hören wir!«
    Beide blickten nach der rechten, wie nach der linken Seite des Falles; sie konnten nichts wahrnehmen. Indeß hatten sie deutlich die Worte: »Zu Hilfe! Zu Hilfe!« verstanden, wenn der Rjukan zwischen seinen Sprüngen wie gewöhnlich etwa eine Minute lang stiller herabrauschte.
    Das Rufen wiederholte sich.
    »Joël, sagte Hulda, da ist ein Reisender in Gefahr, der nach Hilfe verlangt. Wir müssen zu ihm hin…
    – Gewiß, Schwester, er kann auch nicht fern von uns sein. Aber auf welcher Seite?… Wo ist er?… Ich sehe nichts!«
     

    Joël begann nun zu klettern. (S. 67.)
     
    Hulda stieg hinter dem Felsblock, auf dem sie saßen, den Abhang wieder ein Stück empor, indem sie sich an das dürftige Gestrüpp hielt, welches das linke Ufer des Maan bedeckt.
    »Joël! rief sie endlich.
    – Siehst Du ihn?…
    – Ja… da… da!«
    Hulda zeigte nach dem unvorsichtigen Wanderer, der fast über dem Schlunde schwebte.
    Wenn sein gegen einen ganz kleinen Vorsprung gestützter Fuß abglitt, ihm versagte, wenn er nur ein Stückchen weiter herabrollte oder vom Schwindel ergriffen wurde, so war er rettungslos verloren.
    »Wir müssen ihn retten! drängte Hulda.
    – Natürlich! erwiderte Joël ohne Bedenken. Mit Vorsicht und der nöthigen Kaltblütigkeit können wir schon zu ihm hingelangen!«
    Joël stieß nun einen langgezogenen Schrei aus. Dieser wurde von dem Reisenden gehört, denn dieser wandte den Kopf nach seiner Seite hin. Dann überlegte sich Joël wenige Augenblicke, wie er jenen am schnellsten und sichersten aus seiner schlimmen Lage befreien könnte.
    »Hulda, sagte er, Du hast doch keine Furcht?
    – Nein, Bruder!
    – Der Maristien ist Dir doch bekannt?
    – Ich bin schon mehrere Male darüber weggekommen.
    – Nun, so geh’ Du oben auf dem Kamm hin und suche Dich dem Fremden so weit wie möglich zu nähern. Dann läßt Du Dich zu ihm hinabgleiten und ergreifst seine Hand, um ihn einstweilen mit zu halten. Er soll aber noch nicht versuchen, aufzustehen, da

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