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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hingen jetzt als schimmernde Tröpfchen an den Spitzen des langen Grases. Zur Rechten des Bergstromes glänzten in der Höhe von zweitausend Metern die Schneefelder des Gusta leuchtend in die Ferne hinaus.
    Eine Stunde lang kam das Gefährt ziemlich schnell vorwärts, da der Weg nur unmerklich aufstieg. Bald verengte sich aber das Thal. Hier und da verwandelten sich die Wasserläufe in schäumende Sturzbäche. Trotz der vielen Windungen des Weges konnte dieser alle Unebenheiten des Bodens doch nicht umgehen. Es war also nun manchmal recht schwierig, vorwärts zu kommen, wenn Joël auch ein geschickter Rosselenker war. An seiner Seite kannte Hulda übrigens keine Furcht. Kam einmal eine gar zu steile Stelle, so klammerte sie sich fest an seinem Arm an. Der frische Morgen färbte jetzt ihr seit einiger Zeit recht blasses, hübsches Gesichtchen.
    Es galt indeß eine noch bedeutendere Höhe zu erklimmen. Das Thal bot einen Durchgang nur an dem sehr verengten Bette des Maan zwischen zwei lothrecht aufstrebenden Felsenmauern. Auf dem benachbarten Fjeld zeigten sich etwa zwanzig Häuschen, Ruinen von Saeters oder aufgegebene Gaards, neben einzelnen, unter den Birken und Buchen verlorenen Schäferhütten. Bald war es nicht mehr möglich, den Fluß zu sehen, doch hörte man sein lautes Rauschen im felsigen Bett. Die Umgebung gewann allmählich ein ebenso großartiges, wie wildes Aussehen, da jetzt der Kamm der Gebirge ihren weitumfassenden Rahmen bildete.
    Nach zweistündiger Fahrt zeigte sich am Rande eines Wasserfalles von fünfzehnhundert Fuß eine von doppelten Rädern getriebene Sägemühle. Cascaden von einer Höhe wie die genannte, sind im Vestfjorddal nicht eben selten, doch ist ihre Wassermenge im Allgemeinen nur gering. Darin übertrifft Alle der Fall des Rjukanfos.
    Bei dem Sägewerke angelangt, stiegen Joël und Hulda ab.
    »Eine halbe Stunde Weg wird Dich nicht so sehr anstrengen, Schwesterchen? fragte Joël.
    – Nein, Bruder, ich bin ja gar nicht müde, und es wird mir sogar wohlthun, ein wenig zu Fuße zu gehen.
    – Ein wenig… ziemlich viel sogar, und immer bergauf.
    – Dann stütze ich mich auf Deinen Arm, Joël.«
    An dieser Stelle mußten sie unbedingt den Wagen zurücklassen. Dieser hätte nicht vorwärts kommen können auf den steilen Pfaden, den ganz engen Durchgängen, den mit kantigen Felsstücken übersäeten Abhängen, deren malerische, einmal von Bäumen beschattete und dann ganz nackte Formen die Nähe des großen Wasserfalles anzeigen.
    Schon erhob sich eine Art dichter Nebel inmitten der bläulichen Ferne. Das waren die zerstäubten Gewässer des Rjukan, die sich wolkenartig zu großer Höhe erhoben.
    Hulda und Joël benützten nun einen, den Führern wohlbekannten Fußpfad, der nach der engsten Stelle des Thales hinableitet, und auf dem sie zwischen Bäumen und Büschen hindurchgleiten mußten. Kurze Zeit darauf saßen Beide schon auf einem, von gelblichem Moose bedeckten Felsstück, fast genau gegenüber dem Falle, dem man nur von dieser Seite so nahe kommen kann.
    Hier hätten die Geschwister Mühe gehabt, einander zu verstehen, wenn sie gesprochen hätten. Ihre Gedanken waren aber von der Art, welche sich, ohne daß die Lippen sie aussprechen, durch das Herz allein mittheilen.
    Die Wassermasse des Rjukan ist eine ungeheure, seine Höhe eine sehr bedeutende und sein donnerndes Rauschen wahrhaft überwältigend. Neunhundert Fuß tief fehlt hier im Bett des Maan, zwischen dem Mjös-See stromauf-und dem Tinn-See stromabwärts, plötzlich der Boden. Neunhundert Fuß, das heißt sechsmal so hoch wie der Niagara, dessen Breite vom amerikanischen bis zum canadischen Ufer freilich drei (englische) Meilen beträgt.
    Hier bietet der Rjukansos einen so großartigen Anblick, daß man diesen durch eine Beschreibung nur sehr schwer wiederzugeben vermag; selbst die Malerkunst würde nicht im Stande sein, ihn ganz entsprechend darzustellen. Es gibt eben gewisse Wunderwerke der Natur, die man sehen muß, um ihre Schönheit ganz zu verstehen; dazu gehört auch dieser Wasserfall, der berühmteste unter allen Fällen des europäischen Festlandes.
    Gerade jetzt saß auch ein Lustreisender im Anschauen versunken auf der linken Felswand des Maan, von wo er den Rjukansos ganz aus der Nähe und vom höchsten Standpunkt aus betrachten konnte.
    Weder Joël, noch Hulda hatten ihn bisher bemerkt, obgleich er von ihrem Platz aus sichtbar war. Es war nicht die Entfernung, sondern eine in Berggegenden oft bemerkte

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