Ein Lotterie-Loos
weit, daß die Flagge Schwedens weder auf Gebäuden noch auf den Schiffen Norwegens weht. Die eine ist blau mit einem gelben Kreuz, die andere roth mit blauem Kreuz, nur das obere Eckfeld am Flaggenstock enthält das von norwegischer Seite ebenfalls vielfach bestrittene Unionszeichen beider Länder.
Sylvius Hog aber lebte mit Herz und Seele für sein Norwegen, dessen Interessen er bei jeder Gelegenheit vertheidigte; und als das Storthing 1854 die Frage verhandelte, nicht ferner mehr einen Vice-König und auch keinen Statthalter mehr an der Spitze des Reiches zu dulden, gehörte er zu Denjenigen, welche am erfolgreichsten in die Discussion eingriffen und jenem Principe zum Siege verhalfen.
Man begreift also, daß, wenn er im Osten des Königreiches nicht besonders beliebt war, er sich dessen doch im Westen und selbst in den entlegensten Gaards des Landes rühmen konnte. Das bergerfüllte Norwegen hallte von der Umgebung Christianias bis zu den letzten Felsklippen des Nordcaps von seinem Namen wieder. Würdig dieser vollgewichtigen Popularität, hatte auch noch keine Verleumdung weder den Abgeordneten, noch den Rechtslehrer von Christiania erreichen können. Er war ein rechter Norweger, aber ein Norweger von lebhaftem Blute, ohne das angeborene Phlegma seiner Landsleute, und in Wort und That schneller entschlossen, als es das skandinavische Temperament sonst zuläßt.
Es verrieth sich das auch durch seine raschen Bewegungen, durch die Wärme seines Wortes und die Lebhaftigkeit seiner Gesten. Wäre er in Frankreich geboren gewesen, so hätte man gewiß nicht gezögert, ihn ein »Kind des Südens« zu nennen, wenn dieser Vergleich, der übrigens hier seine volle Berechtigung hat, gestattet ist.
Die Vermögensverhältnisse Sylvius Hog’s waren recht gute zu nennen, obgleich man ihn nicht einen Krösus nennen konnte. Als uneigennützige Seele dachte er fast niemals an sich selbst, wohl aber immer an Andere. Eben so wenig strebte er nach hohen Aemtern und Ehrenstellen; Abgeordneter zu sein, genügte ihm vollständig; er wollte nichts weiter.
Eben jetzt genoß Sylvius Hog eines dreimonatlichen Urlaubs, um sich von den Anstrengungen zu erholen, die ein arbeitsreiches Jahr legislatorischer Thätigkeit ihm gebracht hatte; seit sechs Wochen aus Christiania abgereist, beabsichtigte er den ganzen Landestheil bis Drontheim, Hardanger, Telemarken und die Bezirke von Kongsberg und Drammen zu bereisen, das heißt, er wollte die Provinzen besuchen, die er noch nicht aus eigener Anschauung kannte. Er machte also gleichzeitig eine Studien-und Vergnügungsreise.
Einen Theil dieser Vergnügungsfahrt hatte Sylvius Hog zurückgelegt, und bei der Rückkehr aus den nördlichen Amtsbezirken war es, wo er den berühmten Wasserfall, eines der Naturwunder Telemarkens, besichtigen wollte. Nachdem er an Ort und Stelle das damals vorliegende Project einer Eisenbahn von Drontheim nach Christiania eingehend geprüft, hatte er einen Führer verlangt, um ihn nach Dal zu geleiten, und rechnete darauf, diesen am linken Ufer des Maan anzutreffen. Ohne Verzug aber und verlockt durch den wunderbaren Anblick des Maristien, hatte er sich auf den gefährlichen Weg über diesen gewagt, eine Unklugheit, die ihm, wie wir wissen, beinahe das Leben gekostet hätte. Ja, man darf gewiß behaupten, daß ohne das rechtzeitige Eintreffen Joëls und Huldas die ganze Reise und der Reisende in den Schlünden des Rjukanfos ein Ende gefunden hätten.
X.
In den skandinavischen Ländern und nicht nur bei den Bewohnern der Städte, sondern auch draußen auf dem Lande, findet man eine recht erfreuliche Volksbildung, welche über die ersten Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens überall hinausgeht. Der Bauer lernt mit Vergnügen und hat im Allgemeinen einen offenen Kopf; er hat Interesse für öffentliche Angelegenheiten und nimmt an Allem, was den Staat oder die Gemeinde angeht, lebhaften Antheil. Im Storthing bilden die Vertreter dieser Classe immer die Majorität. Manchmal sitzen sie hier in ihrer eigenthümlichen Provinzialkleidung, und man rühmt ihnen mit Recht ihren klaren Verstand, den praktischen Sinn und ein richtiges Auffassungsvermögen – wenn dieses auch nur ein etwas langsames ist – nebst einer über jeden Zweifel erhabenen Unbestechlichkeit nach.
Es ist also nicht zu verwundern, daß der Name Sylvius Hog’s in ganz Norwegen gekannt war und selbst in diesem etwas wilden Theile Telemarkens mit hoher Achtung genannt wurde.
Auch Frau Hansen
Weitere Kostenlose Bücher