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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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beizuwohnen. Nimm es hin mit meinem letzten Lebewohl an Dich!… Vergiß mich nicht in Deinen Gebeten, meine Hulda! Leb’ wohl, geliebte Braut, Gott sei mit Dir!
    Ole Kamp .«
XII.
    Das war also das Geheimniß des jungen Seemannes, das die Aussicht, auf welche hin er hoffte, seiner Verlobten ein, wenn auch kleines Vermögen zuführen zu können….
    Ein Lotterie-Loos, das er vor der Abfahrt gekauft hatte…. Und in dem Augenblicke, wo der »Viken« untergehen sollte, hatte er es, zugleich mit einem letzten Abschiedsgruße an Hulda, in einer Flasche geborgen und diese ins Meer geworfen.
    Jetzt fühlte sich Sylvius Hog niedergeschmettert. Er sah einmal den Brief und dann wieder das Schriftstück an, aber er sprach nicht mehr. Was hätte er jetzt auch noch sagen können? Welcher Zweifel konnte jetzt noch aufkommen an dem Unfall des »Viken« und an dem traurigen Tod aller Derjenigen, die er nach Norwegen zurücktragen sollte?
    Während Sylvius Hog den an ihn gerichteten Brief las, hatte Hulda sich noch zu bemeistern und gegen die sie beklemmende Angst anzukämpfen vermocht. Nach den letzten Worten Oles war sie aber Joël in die Arme gesunken. Sie mußte nach ihrem Zimmer gebracht werden, wo ihre Mutter ihr die erste Pflege angedeihen ließ. Wieder zu sich gekommen, wünschte sie allein zu bleiben, und jetzt betete sie, vor ihrem Bette knieend, für Oles Seele.
    Frau Hansen war nach der großen Stube zurückgekehrt. Erst that sie zwar einen Schritt auf den Professor zu, als ob sie das Wort an diesen richten wolle, dann wendete sie sich aber nach der Treppe und verschwand.
    Auch Joël war, nachdem er seiner Schwester die nöthige Unterstützung geleistet, hinausgegangen. Er erstickte in diesem Hause, das allem Unglück offen zu stehen schien. Er brauchte frische, freie Luft, die Luft des entfesselten Sturmes, und einen guten Theil der Nacht irrte er an den Ufern des Maan umher.
    Sylvius Hog war jetzt allein. Im ersten Augenblick von diesem Donnerschlage wie vernichtet, gelang es ihm doch bald, seine gewohnte Energie wieder zu gewinnen. Nachdem er zwei-oder dreimal die große Stube durchschritten, horchte er, ob nicht ein Ruf des jungen Mädchens bis zu ihm dringen würde. Da er nichts hörte, setzte er sich an den Tisch und überließ sich seinen, ihn wild bestürmenden Gedanken.
    »Hulda, sagte er für sich, Hulda sollte ihren Verlobten nicht wieder sehen! Ein solches Unglück wäre möglich?… Nein, gegen einen solchen Gedanken lehnt sich jede Fiber meines Inneren auf. Der »Viken« ist untergegangen… zugegeben; ist das aber gleich der Gewißheit, daß auch Ole den Tod gefunden habe? Ich kann es nicht glauben! Bei allen Schiffbrüchen kann nur eine weit längere Zeit lehren, daß Niemand den Unfall überlebt habe. Ja, ich zweifle noch, ich will noch zweifeln an dem Schlimmsten, und sollte weder Hulda, Joël, noch sonst Jemand meine Zweifel theilen können.
     

    »Nimm es hin mit meinem letzten Lebewohl an Dich!…« (S. 103.)
     
    Weil der »Viken« vom Meere verschlungen wurde, erklärt es sich ja, daß kein Wrackstück von ihm auf dem Meere schwimmen mag; nein, nein… nichts als jene Flasche, der der arme Ole seine letzten Gedanken und mit diesen das einzige Werthstück, das er auf der Welt besaß, anvertraute.«
    Sylvius Hog hielt das Schriftstück in der Hand, er starrte es an, betastete es, drehte es wiederholt um, als suchte er noch mehr heraus zu lesen aus diesem Papierstückchen, auf welches der arme junge Mann sein ganzes Glück der Zukunft gebaut hatte.
    Der Professor wollte dasselbe jedoch möglichst genau prüfen; er erhob sich und lauschte, ob das junge Mädchen nach ihrer Mutter oder ihrem Bruder riefe, und begab sich dann nach seinem Zimmer.
    Das war ein Lotterie-Loos der Schulen von Christiania, welche Lotterie gerade damals in Norwegen besonders beliebt war und deren großes Loos hunderttausend norwegische Mark (= etwa 75.000 Reichsmark) betrug. Der Gesammtwerth der übrigen Gewinne belief sich nur auf neunzigtausend norwegische Mark, die Anzahl der wirklich abgesetzten Loose aber auf nicht weniger als eine Million Stück!
    Ole Kamp’s Lotterie-Loos zeigte die Nummer 9672. Doch ob diese Nummer eine gute oder eine schlechte war, ob der junge Seemann irgend einen geheimen Grund hatte, der ihm zu derselben besonderes Vertrauen einflößte, jedenfalls würde er zur Stunde der Ziehung genannter Lotterie, die am 15. Juli, das heißt nach Verlauf von achtzehn Tagen erfolgen sollte, nicht anwesend sein.

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