Ein Lotterielos. Nr. 9672
wünschen. Er begleitete ihn bei
seinen Zügen durch die Berge bis nach den höchsten Pla-
teaus von Telemarken. Erst durch die Fjorde, nun durch die
Fjelds – das war dem jungen Seemann so recht nach dem
Sinn, und er blieb gewiß niemals zurück, außer wenn es ge-
schah, um seiner Kusine Hulda Gesellschaft zu leisten.
Zwischen Ole und Joel hatte sich allmählich eine enge
Freundschaft entwickelt, und in ganz naturgemäßer Fol-
gerichtigkeit nahm dieses Gefühl gegenüber dem jungen
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Mädchen eine andere Form an, zumal da Joel ihn fast noch
dazu ermunterte. Wo hätte seine Schwester auch in der gan-
zen Provinz einen besseren Burschen von gleich gewinnen-
dem Wesen, einen ergebeneren Charakter, ein wärmer füh-
lendes Herz finden können? Huldas Glück mußte gesichert
sein, wenn sie Ole zum Mann bekam. Es geschah also un-
ter Zustimmung der Mutter wie des Bruders, daß das junge
Mädchen unter diesen Verhältnissen ihren natürlichen Ge-
fühlen keinen Zwang auferlegte. Wenn es die Menschen im
Norden auch äußerlich nicht so zur Schau tragen, darf man
sie doch keineswegs für unempfindlich halten. Nein, es ist
ebenso ihre Art, und diese ist vielleicht besser, als manche
andere.
Kurz, eines Tages, als sich alle vier in dem großen Zim-
mer des Erdgeschosses befanden, sagte Ole ohne jede wei-
tere Einleitung:
»Da kommt mir eine Idee, Hulda!«
»Und welcher?« fragte das junge Mädchen.
»Mir scheint, wir beide sollten einander heiraten.«
»Das meine ich eigentlich auch.«
Ja, das ließe sich hören, fügte Frau Hansen hinzu, als ob
es sich um eine schon lange besprochene Angelegenheit
handelte.
»Und auf diese Weise, Ole«, bemerkte Joel, »würde ich
natürlich dein Schwager werden.«
»Gewiß«, sagte Ole; »es steht aber fest, Joel, daß ich dich
dann nur noch mehr liebhaben werde.«
»Wenn das möglich ist!«
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»Du wirst’s ja sehen!«
»Meiner Treu, ich bin ja schon jetzt befriedigt«, versi-
cherte Joel, der Oles Hand herzlich drückte.
»Nun, das wäre also abgemacht, Hulda?« fragte Frau
Hansen.
»Ja, liebe Mutter«, antwortete das junge Mädchen.
»Du glaubst es mir wohl, Hulda«, fuhr Ole fort, »daß ich
dich eigentlich schon lange liebe, ohne etwas davon gesagt
zu haben?«
»Ich dich auch, Ole.«
»Wie’s gekommen ist, weiß ich eigentlich gar nicht zu
sagen.«
»Und ich nicht minder.«
»Gewiß kam’s daher, Hulda, daß ich dich jeden Tag hüb-
scher und hübscher und immer besser werden sah . . .«
»Du gehst etwas zu weit, mein lieber Ole!«
»Gewiß nicht, und ich darf dir das sagen, ohne daß du
darum zu erröten brauchst, denn es ist die Wahrheit. Ha-
ben Sie’s denn nicht bemerkt, Frau Hansen, daß ich Hulda
so lieb hatte?«
»Nun ja, ein wenig wohl.«
»Und du, Joel?«
»Ich? Ei, ganz deutlich.«
»Offen gestanden«, meinte Ole lächelnd, »hättet ihr mir
das eher sagen können.«
»Aber deine Seereisen, Ole«, mischte sich da Frau Han-
sen wieder ein, »werden sie dir nicht weit beschwerlicher
erscheinen, wenn du verheiratet bist?«
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»O, sie würden mich so schwer ankommen«, antwortete
Ole, »daß ich eben gar nicht mehr fahren werde, wenn un-
sere Hochzeit stattgefunden hat.«
»Du willst nicht mehr fahren?«
»Nein, Hulda, könnte ich es über mich bringen, dich
ganze Monate zu verlassen?«
»So willst du jetzt zum letzten Mal in See gehen?«
»Ja; doch bei einigem Glück wird diese Fahrt mir gestat-
ten, ein gutes Stück Geld zu auf die Seite zu legen, denn die
Herren Gebrüder Help haben mir vertraglich einen vollen
Gewinnanteil zugesichert . . .«
»Das sind doch brave Leute!« sagte Joel.
»Sie sind jedes Lobes würdig«, erwiderte Ole, »und
alle Seeleute in Bergen kennen sie auch und schätzen sie
hoch.«
»Aber, mein lieber Ole«, bemerkte da Hulda, »wenn du
dann nicht mehr fährst, was denkst du später zu begin-
nen?«
»Nun, ich werde der Teilhaber Joels. Ich habe ja gute
Füße, und sollten diese noch nicht ausreichen, werd’ ich mir
durch Übung solche zu verschaffen wissen. Übrigens hab’
ich noch an ein Geschäft gedacht, das vielleicht gar nicht
übel wäre. Warum sollten wir nicht eine Art Botendienst
zwischen Drammen, Kongsberg und den Gaards von Tele-
marken einrichten? Die jetzigen Verbindungen sind weder
bequem, noch regelmäßig, und dabei wäre wohl noch Geld
zu verdienen. Mit einem Wort, ich habe so meine Gedan-
ken, abgesehen von .
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