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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem
    Pfarrer und seinem Gebetbuch, in Gegenwart einiger
    Freunde und Nachbarn des Gasthauses, Ole, seine Hulda zu
    heiraten und Hulda schwor, Ole zu heiraten, wenn er von
    der letzten Fahrt zurückkam, die der junge Seemann eben
    noch unternehmen wollte. 1 Jahr Erwartung ist zwar lang,
    aber es vergeht ja auch zwei Liebenden, wenn beide einan-
    der sicher sind.
    Von nun an konnte Ole die, welche seine verlobte Braut
    geworden war, nur aus schwerwiegenden Gründen wieder
    verlassen, und Hulda durfte nicht die Treue brechen, die sie
    Ole geschworen hatte, ja, wenn Ole nicht wenige Tage nach-
    her abgereist wäre, so hätte er das Recht beanspruchen kön-
    nen, das jene Zeremonie ihm verlieh: er konnte das junge
    Mädchen besuchen, wann es ihm beliebte, ihr schreiben, so
    oft er wollte, sie beim Spazierengehen Arm in Arm beglei-
    ten, selbst in Abwesenheit ihrer Familie, und bei allen Fest-
    lichkeiten und sonstigen Gelegenheiten den Vorzug genie-
    ßen, allein mit ihr zu tanzen.
    Ole Kamp hatte jedoch nach Bergen zurückkehren müs-
    sen. 8 Tage später war die ›Viken‹ nach den Fischgründen
    von Neufundland abgesegelt, und nun hatte Hulda nur die
    Briefe zu erwarten, die ihr Verlobter mit jeder Postgelegen-
    heit nach Europa zu senden versprochen hatte.
    Die stets mit Ungeduld erwarteten Briefe blieben denn
    auch nicht aus. Sie verbreiteten dann einen neuen Schim-
    mer von Glück in dem seit der Abreise etwas traurigeren
    Haus.

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    Die Reise selbst verlief unter ganz günstigen Verhältnis-
    sen. Der Fischfang war ergiebig und mußte einen ansehn-
    lichen Ertrag liefern. Am Ende jedes Briefs aber sprach Ole
    von einem gewissen Geheimnis und von den Schätzen, die
    ihm dieses zuführen müsse. Dieses Geheimnis hätte Hulda
    gar zu gern gekannt, aber außer ihr auch Frau Hansen, aus
    Gründen, die der Leser nur schwer erraten dürfte.
    Frau Hansen wurde allmählich immer düsterer, unruhi-
    ger und verschlossener, und ein Umstand, den sie nicht ein-
    mal ihren Kindern gegenüber erwähnte, konnte ihre Sorge
    leider nur vergrößern.
    3 Tage nach dem letzten Brief von Ole, am 19. April,
    kehrte Frau Hansen allein aus der Sägemühle zurück – wo
    sie beim Werkführer Lengling einen Sack Holzspäne be-
    stellt hatte – und war jetzt eben auf dem Heimweg. Nicht
    weit von ihrer Tür trat ein Mann auf sie zu, der offenbar
    nicht aus dieser Gegend war.
    »Sie sind doch wohl Frau Hansen?« fragte der Fremde.
    »Ja«, antwortete sie, »doch ich kenne Sie nicht.«
    »O, das macht nichts«, erwiderte der Mann. »Ich bin die-
    sen Morgen von Drammen gekommen und kehre auch da-
    hin zurück.«
    »Von Drammen?« rief Frau Hansen lebhaft.
    »Kennen Sie wohl einen gewissen Herrn Sandgoist, der
    dort wohnt?«
    »Herrn Sandgoist!« wiederholte Frau Hansen, deren Ge-
    sicht bei Nennung dieses Namens erbleichte. »Ja . . ., den
    kenne ich.«
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    »Nun gut; als Herr Sandgoist erfuhr, daß ich mich nach
    Dal begebe, hat er mich beauftragt, Ihnen einen Gruß von
    ihm zu überbringen.«
    »Und . . . weiter nichts?«
    »Nichts, außer daß ich Ihnen sagen soll, er werde Sie
    wahrscheinlich im nächsten Monat einmal aufsuchen! –
    Lassen Sie sich’s wohl gehen, und gute Nacht, Frau Han-
    sen!«
    V.
    Hulda war in der Tat betroffen über die Zähigkeit, mit der
    Ole in seinen Briefen immer und immer wieder von dem
    Glücksfall sprach, den er bei seiner Rückkehr erwarte.
    Worauf gründete der junge Mann diese Hoffnung? Hulda
    konnte es nicht erraten, und es verlangte sie doch so sehr, es
    zu wissen. Man wird ihr eine so natürliche Neugier schon
    verzeihen dürfen, da sie eigentlich mehr eine liebende Un-
    geduld zu nennen war. Das ehrsame, einfache Kind war
    nicht etwa ehrgeizig, noch hatten sich ihre Zukunftsträume
    je bis zu dem verstiegen, was man Reichtum nennt. Ihr ge-
    nügte ja die Liebe Oles jetzt, und die würde ihr stets genü-
    gen. Sollten sie einmal reich werden, nun, so würde sie sich
    darüber recht freuen; wäre es nicht der Fall, so würde sie
    sich darum gewiß auch nicht grämen.
    So lauteten eben die Ansichten Huldas und Joels, die sie
    am Tag nach dem Eintreffen des letzten Briefs von Ole äu-
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    ßerten; über diese Angelegenheit hatten beide genau diesel-
    ben Gedanken, wie überhaupt über alles andere.
    Da sagte Joel jedoch noch:
    »Nein, es ist unmöglich, Schwesterchen! Du mußt mir
    unbedingt etwas verhehlen!«
    »Ich, dir verhehlen?«
    »Ja! Daß Ole abgereist

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