Ein Lotterielos. Nr. 9672
. .«
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»Von was?«
»O nichts! Das wird sich bei meiner Rückkehr zeigen.
Ich sage euch voraus, daß ich stets entschlossen bin, alles zu
tun, um Hulda zur beneidetsten Frau des ganzen Landes zu
machen. Ja, ich bin fest entschlossen.«
»Wenn du wüßtest, Ole, wie leicht das sein wird!« ant-
wortete Hulda, ihm die Hand entgegenstreckend. »Ist’s
nicht zur Hälfte schon geschehen, und gibt es irgendwo ein
ebenso glückliches Haus, wie unser Haus in Dal?«
»Frau Hansen hatte einen Augenblick den Kopf wegge-
wendet.
»Also«, wiederholte Ole in freudigem Ton, »die Sache ist
abgemacht?«
»Ja freilich«, versicherte Joel.
»Und wir brauchen nicht weiter darüber zu sprechen?«
»Niemals.«
»Es wird dir doch nicht leid werden, Hulda?«
»Gewiß nicht.«
»Was die Bestimmung eures Hochzeitstags betrifft,
denk’ ich, wir warten lieber deine Heimkehr ab«, fügte Joel
hinzu.
»In Ordnung; doch ich müßte geradezu Unglück haben,
wenn ich nicht vor Ablauf eines Jahres zurückgekehrt wäre,
um Hulda nach der Kirche von Moel zu führen, wo der Pas-
tor Andresen es nicht abschlagen wird, uns seinen besten
Segen zu erteilen!«
Auf diese Weise war also die Heirat Hulda Hansens mit
Ole Kamp beschlossen worden.
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8 Tage später sollte der junge Seemann auf seinem Schiff
in Bergen wieder eintreffen. Bevor sie jedoch voneinander
schieden, sollten die beiden Zukünftigen, nach der wirklich
rührenden Sitte der skandinavischen Länder, erst feierlich
verlobt werden.
In dem einfachen, ehrbaren Norwegen herrscht ziemlich
allgemein der Gebrauch, sich öffentlich zu verloben, bevor
man heiratet. Zuweilen wird die Hochzeit gar erst 2 bis 3
Jahre später gefeiert. Erinnert das nicht an die Gepflogen-
heiten in den ersten Tagen der christlichen Kirche? Man
darf aber nicht glauben, daß die Verlobung hier nur auf ei-
nen einfachen Austausch von Worten hinauslaufe, deren
Wert doch nur auf Treue und Glauben der Beteiligten be-
ruht. Nein, das Gelübde wird hier ernster genommen, und
wenn dieser Akt auch nicht gerade durch das Gesetz aner-
kannt ist, so steht er als eine Art natürlichen Gesetzes doch
überall in höchstem Ansehen.
Es handelte sich also bezüglich Huldas und Ole Kamps
um die Anordnung einer Zeremonie, die der Pastor And-
resen leiten sollte. In Dal selbst gab es keinen Geistlichen,
ebensowenig wie in den Gaards der Nachbarschaft. Dage-
gen finden sich in Norwegen gewisse Orte, die sich »Sonn-
tagsstädte« nennen, wo sich ein Pfarrhof, ein »Praestegjeld«
befindet. Dort versammeln sich zum Gottesdienst die be-
deutenden Familien der Parochie. Sie haben meist sogar
eine Art Absteigequartier, um sich 24 Stunden, das heißt
so lange, wie die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten in An-
spruch nimmt, aufzuhalten. Dann kehrt alles wie von einem
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Pilgerzug heim. Dal besitzt zwar eine Kapelle, dahin kommt
der Geistliche aber nur auf besonderes Verlangen und zur
Ausübung von Amtsgeschäften, die nicht öffentlicher, son-
dern privater Natur sind.
Moel liegt von hier übrigens nicht weit entfernt, nur et-
was über dreiviertel Meilen – das heißt 10 Kilometer von
Dal bis zum Ende des Tinn-Sees. Der Pastor Andresen aber
war ein gefälliger Mann und guter Fußgänger.
Pastor Andresen wurde also gebeten, der Verlobung
in der doppelten Eigenschaft als Diener der Kirche und
Freund der Familie Hansen zu assistieren. Letztere kannte
ihn und er sie schon seit längerer Zeit; er hatte Hulda und
Joel aufwachsen sehen und liebte sie ebenso wie den »jun-
gen Seebären« Ole Kamp. Nichts hätte ihm mehr Vergnü-
gen gewähren können als diese Heirat; das war eine Gele-
genheit, die für das ganze Vestfjorddal zur Festlichkeit zu
werden versprach.
Es versteht sich von selbst, daß Pastor Andresen ei-
nes schönen Morgens seine weißen Bäffchen anlegte, den
Kreppüberwurf über den Arm schlug, der das Gebetbüch-
lein trug, und bei übrigens ziemlich regnerischem Wetter
aufbrach. Er traf in Gesellschaft Joels ein, der ihm entge-
gengegangen war. Der Leser möge sich selbst ausmalen,
welch freundlichen Empfang er im Haus von Frau Hansen
fand, und daß er natürlich das schönste Zimmer im Erd-
geschoß angewiesen erhielt, das die ausgestreuten frischen
Wacholderzweige wie eine Kapelle durchdufteten.
Am folgenden Tag, und zwar schon ziemlich zeitig, öff-
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nete sich die kleine Kirche von Dal. Hier schwor vor
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