Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Tele-
    marken kennt, die von Kindheit an mit den Abhängen der
    Fjelds vertraut sind.
    Und ebenso wie Joel gerufen hatte, rief auch sie:
    »Halten Sie fest, Herr!«
    »Ja, ich halte fest . . . und werde sicherlich festhalten, so
    lange ich irgend kann!«
    An guten Ratschlägen, die von oben und von unten ka-
    men, fehlte es ihm also nicht.
    »Vor allem haben Sie keine Furcht!« fügte Hulda hinzu.
    »Ich habe keine Furcht!«
    »Wir retten Sie!« rief Joel.
    »Ich hoffe darauf, denn – beim heiligen Olaf – mich
    selbst zu retten, wäre ich außerstande!«
    Offenbar hatte sich der Fremde all seine Geistesgegen-
    wart bewahrt; nach dem Niederfallen mochten ihm wohl
    Arme und Beine den Dienst versagt haben, und was er jetzt
    tun konnte, bestand nur darin, sich an den schwachen Vor-
    sprung zu klammern, der ihn noch vom Abgrund trennte.
    Hulda kam inzwischen tiefer herunter. Wenige Augen-
    — 96 —
    blicke später befand sie sich neben dem Fremden und er-
    griff diesen, nachdem sie den Fuß gegen eine rauhere Stelle
    des Gesteins gestemmt hatte, an der Hand.
    Der Fremde versuchte, sich ein wenig aufzurichten.
    »Rühren Sie sich nicht, mein Herr! Nicht rühren!« sagte
    Hulda. »Sie würden mich mit hinabziehen, und ich wäre
    dann nicht stark genug, Sie zu halten. Wir müssen noch
    meinen Bruder abwarten. Wenn er sich zwischen uns und
    dem Rjukanfos befindet, werden Sie sich erheben dürfen,
    um . . .«
    »Mich erheben, liebes Kind, das ist freilich leichter ge-
    sagt als getan, und ich fürchte am Ende, es kaum imstande
    zu sein.«
    »Haben Sie sich etwa gar verletzt?«
    »Hm, gebrochen oder verrenkt hab’ ich wahrscheinlich
    nichts, ich hoffe es wenigstens, aber eine tüchtige Schramme
    werde ich wohl am Bein haben.«
    Joel befand sich jetzt noch 20 Schritte von der Stelle, wo
    sich Hulda und der Reisende festhielten. Der gekrümmte
    Verlauf des Felsrückens hatte ihm nicht gestattet, gerade-
    wegs auf sie zu zu klettern, und jetzt mußte er noch dessen
    abgerundeten Grat emporklimmen. Das war das schwie-
    rigste und auch das gefährlichste Stück Arbeit – es ging da-
    bei um Tod und Leben.
    »Keine Bewegung!« ermahnte er zum letzten Mal den
    Fremden. »Wenn sie beide abglitten, wäre ich, da meine
    Lage zu unsicher ist, nicht imstande, Sie festzuhalten und
    Sie wären beide verloren!«
    — 97 —
    »Sei ohne Sorge, Joel«, antwortete Hulda. »Denk nur an
    dich und Gott möge Dir beistehen.«
    Joel begann nun auf dem Bauch zu kriechen, indem er
    sich wirklich wie in Schlangenwindungen vorwärts schob.
    Zwei- oder dreimal fühlte er, daß ihm jeder Stützpunkt
    fehlte; endlich gelang es ihm aber, mit Aufwand aller Ge-
    schicklichkeit, bis zu dem Reisenden hinauf zu kommen.
    Dieser, ein zwar schon etwas bejahrter, aber doch noch
    recht rüstiger, gut erhaltener Mann, zeigte ein hübsches,
    einnehmendes und lächelndes Gesicht. Joel hatte wirklich
    eher erwartet, hier einen jungen Wagehals zu finden, der
    unbedacht versucht hatte, über den Maristien weg zu ge-
    hen.»Das war recht unklug, was Sie da begonnen haben, bes-
    ter Herr«, sagte er, sich halb niederlegend, um ein wenig
    Atem zu schöpfen.
    »Wie, das war unklug?« erwiderte der Reisende, »sagen
    Sie lieber, es war reiner Wahnsinn!«
    »Sie haben Ihr Leben aufs Spiel gesetzt . . .«
    »Ich bin schuld, daß Sie mir das nachgetan haben.«
    »Ich? O, das ist so mein Geschäft!« antwortete Joel.
    Dann stand er auf.
    »Jetzt«, sagte er, »handelt es sich darum, wieder nach
    oben zu gelangen. Doch das Schwerste ist ja schon gesche-
    hen.»Oh, das Schwerste!«
    »Ja, lieber Herr, das Schwerste war es, hier zu Ihnen zu

    — 98 —
    — 99 —
    kommen. Jetzt brauchen wir nur einen weniger steilen Ab-
    hang hinaufzuklimmen.«
    »Dabei dürften Sie freilich guttun, nicht zu viel auf mich
    zu rechnen, junger Mann. Das eine meiner Beine wird
    mir wohl jeden Dienst versagen, und wahrscheinlich jetzt
    ebenso, wie noch im Verlauf mehrerer Tage.«
    »Versuchen Sie, sich zu erheben.«
    »Recht gern . . . das heißt mit Ihrer Hilfe.«
    »Sie nehmen den Arm meiner Schwester; ich werde Sie
    unterstützen und schiebe Sie vorwärts.«
    »Werden Sie festhalten können?«
    »Ganz fest.«
    »Nun gut, lieber Freund, ich verlasse mich ganz auf Sie.
    Da Ihr nun einmal den Gedanken gehabt, mich aus der
    Klemme zu befreien, müßt Ihr schon sehen, wie Ihr damit
    fertig werdet.«
    Alle begannen, wie Joel angeordnet hatte, den Rückweg.
    Wenn dieses Erklimmen des obersten

Weitere Kostenlose Bücher