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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ich diesmal nicht allein fortgehe.«
    »Und wer wird dich begleiten?«
    »Du, Schwesterchen, du selbst! Du mußt eine Zerstreu-
    ung haben, deshalb nehme ich dich mit.«
    »O, ich danke dir, lieber Joel!«
    VIII.
    Am anderen Morgen brachen beide mit Tagesgrauen aus
    dem Gasthaus auf. 15 Kilometer von Dal bis nach den be-
    rühmten Wasserfällen, und ebenso viel zurück, das wäre für
    Joel nur ein Spazierweg gewesen, doch er mußte die Kräfte
    Huldas schonen. Joel hatte sich also den Schußkarren des
    Werkführers Lengling verschafft, und wie alle Wagen die-
    ser Art, hatte auch dieser nur einen einzigen Sitzplatz. Jener
    gute Mann war aber so dick, daß er sich einen eigenen Sitz-
    kasten hatte bauen lassen müssen, und dieser reichte hin,
    Joel und Hulda dicht nebeneinander aufzunehmen. Wenn
    sich der angemeldete Reisende also am Rjukanfos befand,
    so sollte er Joels Platz einnehmen, und dieser gedachte zu
    Fuß zurückzukehren, wenn er nicht das Brett am hinteren
    Teil des Gefährts benützte.
    Obwohl er manche Hindernisse bietet, ist der Weg von
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    Dal nach den Wasserfällen doch wirklich wunderschön;
    freilich besteht er mehr aus einem Pfad, als aus einer eigent-
    lichen Straße. Kaum vierkantig behauene Blöcke, die quer
    über die Zuflüsse des Maan gelegt sind, bilden, immer nur
    wenig Schritte voneinander, kleine Brücken. Das norwegi-
    sche Pferd ist aber schon gewöhnt, sie sicheren Fußes zu
    überschreiten, und wenn der Wagen auch keine Federn hat,
    so mildert doch die lange, etwas elastische Gabeldeichsel in
    gewissem Grad das unvermeidliche Stoßen beim Fahren.
    Das Wetter war jetzt schön. Joel und Hulda fuhren in
    mäßigem Trab längs der saftgrünen Wiesengründe hin, de-
    ren Rand zur Linken von den klaren Gewässern des Maan
    gebadet wird. Einige tausend Birken beschatteten da und
    dort angenehm den von der hellen Sonne beschienenen
    Weg. Die Dünste der Nacht hingen jetzt als schimmernde
    Tröpfchen an den Spitzen des langen Grases. Zur Rechten
    des Bergstroms glänzten in der Höhe von 2000 Metern die
    Schneefelder des Gusta leuchtend in die Ferne hinaus.
    1 Stunde lang kam das Gefährt ziemlich schnell vor-
    wärts, da der Weg nur unmerklich aufstieg. Bald verengte
    sich aber das Tal. Hier und da verwandelten sich die Was-
    serläufe in schäumende Sturzbäche. Trotz der vielen Win-
    dungen des Weges konnte dieser alle Unebenheiten des
    Bodens doch nicht umgehen. Es war also nun manchmal
    recht schwierig, vorwärts zu kommen, wenn Joel auch ein
    geschickter Roßlenker war. An seiner Seite kannte Hulda
    übrigens keine Furcht. Kam einmal eine gar zu steile Stelle,
    so klammerte sie sich fest an seinen Arm an. Der frische
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    Morgen färbte jetzt ihr seit einiger Zeit recht blasses, hüb-
    sches Gesichtchen.
    Es galt indes eine noch weit bedeutendere Höhe zu er-
    klimmen. Das Tal bot einen Durchgang nur an dem sehr
    verengten Bett des Maan zwischen zwei lotrecht aufstre-
    benden Felsenmauern. Auf dem benachbarten Fjeld zeigten
    sich etwa zwanzig Häuschen, Ruinen von Säters oder auf-
    gegebene Gaards, neben einzelnen, unter den Birken und
    Buchen verlorenen Schäferhütten. Bald war es nicht mehr
    möglich, den Fluß zu sehen, doch hörte man sein lautes
    Rauschen im felsigen Bett. Die Umgebung gewann allmäh-
    lich ein ebenso großartiges wie wildes Aussehen, da jetzt
    der Kamm der Gebirge ihren weitumfassenden Rahmen
    bildete.
    Nach 2stündiger Fahrt zeigte sich am Rand eines Was-
    serfalls von 1500 Fuß eine von doppelten Rädern getriebene
    Sägemühle. Kaskaden von einer Höhe wie die genannte
    sind im Vestfjorddal nicht eben selten, doch ist ihre Was-
    sermenge im allgemeinen nur gering. Darin übertrifft alle
    der Fall des Rjukanfos.
    Bei dem Sägewerk angelangt, stiegen Joel und Hulda ab.
    »Eine halbe Stunde Weg wird dich nicht so sehr anstren-
    gen, Schwesterchen?« fragte Joel.
    »Nein, Bruder, ich bin ja gar nicht müde, und es wird
    mir sogar wohltun, ein wenig zu Fuß zu gehen.«
    »Ein wenig . . . ziemlich viel sogar, und immer bergauf.«
    »Dann stütze ich mich auf deinen Arm, Joel.«
    An dieser Stelle mußten sie unbedingt den Wagen zu-

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    rücklassen. Dieser hätte nicht vorwärtskommen können auf
    den steilen Pfaden, den ganz engen Durchgängen, den mit
    kantigen Felsstücken übersäten Abhängen, deren maleri-
    sche, einmal von Bäumen beschattete und dann ganz nackte
    Formen die Nähe des großen Wasserfalls anzeigen.
    Schon

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