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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Unglück
    glaub’ ich mein Lebtag nicht!«
    Das war freilich nur seine persönliche Überzeugung, die
    er aus der Energie seines Charakters, aus seiner angebore-
    nen Natur, die sich durch nichts ganz niederdrücken ließ,
    schöpfte. Doch wie hätte er diese auch auf andere zu über-
    tragen vermocht, und besonders auf diejenigen, denen das
    Schicksal der ›Viken‹ am meisten am Herzen lag?
    Inzwischen verstrichen noch einige Tage. Vollkommen
    geheilt, unternahm Sylvius Hog nun weitere Spaziergänge
    in der Umgebung, wobei er Hulda und ihren Bruder freund-
    lich nötigte, ihn zu begleiten, nur um die Geschwister sich
    nicht allein zu überlassen. Eines Tages gingen alle drei das
    Vestfjorddal halb bis zu den Fällen des Rjukan hinauf; am
    folgenden Tag machten sie den Weg abwärts, wandten sich
    aber dabei nach Moel und dem Tinn-See zu. Einmal blie-
    ben sie sogar über 24 Stunden lang aus, weil sie ihren Aus-
    flug bis Bamble ausgedehnt hatten, wo der Professor die
    Bekanntschaft des Pächters Helmboe und seiner Tochter Si-
    grid machte. Welch herzlichen Empfang bereitete da letz-
    tere ihrer Hulda, und wie aufrichtig bemühte sie sich, die
    Freundin zu trösten.
    Sylvius Hog konnte den teilnehmenden Leuten hier auch
    etwas mehr Hoffnung machen; er hatte an das Seeamt nach
    Christiania geschrieben. Die Regierung hatte die Suche
    nach der ›Viken‹ in die Hand genommen, die bestimmt ge-

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    funden werden würde; auch Ole würde wiederkommen, er
    konnte von einem Tag zum anderen eintreffen. O nein, die
    Hochzeit würde gewiß um keine 6 Wochen Aufschub er-
    leiden! Der vortreffliche Mann schien so unerschütterlich
    überzeugt, daß man sich vielleicht mehr dieser felsenfesten
    Überzeugung als seinen Beweisgründen beugte.
    Der Besuch bei der Familie Helmboe erwies sich als
    recht wohltätig für die Kinder von Frau Hansen, denn als
    sie nach Hause zurückkehrten, waren sie weit gefaßter als
    beim Fortgehen.
    Der 15. Juni war herangekommen. Die ›Viken‹ hatte jetzt
    schon einen vollen Monat Verzögerung. Da es sich ja nur
    um die verhältnismäßig kurze Überfahrt von Neufundland
    nach der Küste von Norwegen handelte, so überschritt das –
    selbst für ein Segelschiff – doch alle gewöhnlichen Erfah-
    rungen.
    Hulda lebte kaum mehr, und ihr Bruder wußte kein
    Wort zu finden, das sie hätte trösten und aufrichten kön-
    nen. Angesichts der beklagenswerten jungen Leute mißlang
    dem Professor fast der Vorsatz, immer und immer noch et-
    was Hoffnung zu bewahren. Hulda und Joel verließen die
    Schwelle des Hauses jetzt nur noch, um nach der Seite von
    Moel hinaus zu blicken oder ein Stück auf der Straße nach
    dem Rjukanfos hinzugehen. Ole Kamp mußte eigentlich
    von Bergen aus kommen, aber es war ja nicht ausgeschlos-
    sen, daß er vielleicht von Christiania käme, wenn der Be-
    stimmungshafen der ›Viken‹ geändert worden war.
    Das Geräusch von einem Schußkarren, das aus den Bäu-
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    men vernehmbar wurde, ein Schrei, der die Luft durchzit-
    terte, der Schatten einer Menschengestalt, der sich an einer
    Pfadbiegung zeigte, ließ ihre Herzen – leider vergeblich –
    jedesmal höher schlagen.
    Die Leute in Dal wachten sozusagen auch ihrerseits und
    gingen den Postboten stromauf- und stromabwärts des
    Maan entgegen. Alle bewiesen ihre innige Teilnahme gegen-
    über der so allbeliebten Familie, wie gegenüber dem armen
    Ole, den man ja fast als ein Kind Telemarkens betrachtete;
    doch weder von Bergen noch von Christiania traf ein Brief
    ein, der Nachricht von dem Verschollenen gebracht hätte.
    Auch am 16. ereignete sich nichts Neues. Der Professor
    konnte sich kaum noch halten und sah ein, daß er hier mit
    eigener Person eintreten müsse, um der immer qualvoller
    werdenden Lage ein Ende zu machen. Deshalb erklärte er
    denn auch, wenn bis zum folgenden Tag keine Mitteilung
    einliefe, selbst nach Christiania gehen und sich überzeugen
    zu wollen, ob die Nachforschungen auch mit gehörigem Ei-
    fer betrieben würden. Freilich mußte er Hulda und Joel in-
    zwischen verlassen; doch das war nicht zu ändern, und er
    gedachte ja zurückzukehren, sobald er die nötigen Schritte
    getan hatte.
    Schon ein großer Teil des 17. Juni war verlaufen – ein Teil
    des vielleicht traurigsten Tages von allen. Seit Tagesanbruch
    strömte der Regen hernieder und starker Wind schüttelte
    die alten Baumkronen und ließ, nach der Seite des Maan
    hin, manchmal alle Fensterscheiben

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