Ein Lotterielos. Nr. 9672
Zwischenräume von
bemoosten Steinen ausgefüllt werden.
Etwas weiterhin hört man das Knarren von ein oder
zwei sehr ursprünglichen, durch Bergwasser getriebenen
Sägemühlen mit einem Schaufelrad zur Bewegung der Säge
und einem anderen zum Fortschieben des Balkens oder der
Planken. Und wiederum in einiger Entfernung scheint das
Ganze, Kapelle, Sägemühlen, Häuser und Hütten, in einen
weichen Dunst von Grün gebettet, hier dunkel durch Tan-
nen, dort blaugrün durch Birken, in einem Rahmen, den
die einzelnen oder in Gruppen stehenden Bäume von den
gewundenen Ufern des Maan bis zum Kamm der hohen
Berge von Telemarken bilden.
So erscheint der frische und lachende Weiler von Dal
mit seinen malerischen, äußerlich farbig angestrichenen
Wohnstätten, von denen die einen zarte Farbtöne in Hell-
grün oder Lichtrosa, die anderen schreiende Farben wie
lebhaftes Gelb oder Blutrot zeigen. Ihre mit Birkenrinde ge-
deckten Dächer, überzogen mit frischgrünem Rasen, den
man im Herbst abmäht, sind mit natürlichen Blumen ge-
schmückt. All das ist reizend und gehört zum herrlichsten
Land der Welt. Kurz, Dal liegt eben in Telemarken, Tele-
marken aber in Norwegen, in Norwegen – mit mehreren
— 18 —
— 19 —
tausend Fjorden, die dem Meer gestatten, um den Fuß sei-
ner Berge zu branden.
Telemarken liegt inmitten jenes weit ausladenden, kol-
benförmigen Teils, den Norwegen zwischen Bergen und
Christiania bildet. Diese zum Amt Bratsberg gehörige Vog-
tei hat Berge und Gletscher wie die Schweiz, aber sie ist
nicht die Schweiz; die hat großartige Wasserfälle wie Nor-
damerika, aber sie ist nicht Nordamerika; sie hat Dörfer
mit gemalten Häusern und gelegentlich Prozessionen mit
Trachten aus verschwundenen Zeiten bekleideter Einwoh-
ner wie manche Ortschaften Hollands, aber sie ist auch
nicht Holland. Telemarken ist schöner wie diese alle, es ist
eben Telemarken, eine durch die natürliche Schönheit, die
sie enthält, vielleicht in der ganzen Welt einzig dastehende
Landschaft. Der Verfasser hat das Vergnügen gehabt, es zu
besuchen. Er hat es auf Schußkarren durchstreift und das
Pferd an jeder Station gewechselt – wenn eines zu haben
war – und davon einen tiefgehenden poetischen Eindruck
mit heimgebracht, der noch heute so lebhaft in seiner Erin-
nerung ist, daß er dieser einfachen Erzählung wohl einen
Anflug davon verleihen zu können wünschte.
Zu der Zeit, wo diese Geschichte spielt – im Jahr 1862 –,
war Norwegen noch nicht von der Eisenbahn durchfurcht,
die es heute gestattet, von Stockholm über Christiania bis
Drontheim zu reisen. Jetzt ist ein ungeheures Schienenband
zwischen den beiden skandinavischen Ländern, die so we-
nig Neigung zeigen, ein gemeinschaftliches Leben zu füh-
ren, ausgespannt. Im Waggon der Eisenbahn eingeschlos-
— 20 —
sen, sieht der Reisende freilich, während er schneller als
früher mittels Schuß dahinfährt, nichts oder sehr wenig von
der Schönheit der ehemaligen Fahrstraße.
Ihm entgeht damit die hochinteressante Fahrt durch das
mittlere Schweden, auf dem Göta-Kanal, dessen Dampf-
boote, von Schleuse zu Schleuse gehoben, eine Höhe von
300 Fuß erklettern. Er verweilt nicht bei den berühmten
Trollhättafällen, nicht in Drammen oder Kongsberg, so we-
nig wie bei den Wundern von Telemarken.
Zu jener Zeit also war die Eisenbahn erst geplant. Noch
einige 20 Jahre sollten vergehen, ehe man das skandinavi-
sche Königreich von einer Küste zur anderen in 48 Stunden
durchfliegen und nach dem Nordkap mit Retourbillett nach
Spitzbergen gehen konnte. Dal bildete nun damals – und
bildet hoffentlich noch lange Zeit – den eigentlichen Mit-
telpunkt, der fremde oder einheimische Touristen anlockte,
welch letztere übrigens meist aus Studenten von Christia-
nia bestanden. Von hier können sie sich leicht über ganz
Telemarken und Hardanger zerstreuen, das Vestfjorddal
zwischen dem Mjös- und Tinn-See hinabwandern und die
wundervollen Wasserfälle des Rjukan erreichen. In dem ge-
nannten Weiler befindet sich freilich nur eine Herberge,
aber diese ist so anziehend, wie man sich eine solche nur
wünschen kann, und dazu ziemlich geräumig, denn sie ent-
hält vier Zimmer für Fremde – mit einem Wort, es ist das
Haus von Frau Hansen.
Einige Bänke umschließen den hinteren Teil seiner ro-
senfarbenen Wände, die vom Erdboden durch eine solide
— 21 —
Grundmauer aus Granit isoliert sind.
Weitere Kostenlose Bücher