Ein Lotterielos. Nr. 9672
zufälliger
Gewinnaussichten, welches jenes Los bei der Ziehung der
Lotterie in Christiania haben mochte, nein, es war der Ver-
zicht auf Erfüllung des letzten Willens Ole Kamps, es war
der Verlust des letzten Abschiedsworts von ihrem unglück-
lichen Verlobten.
Doch darauf war jetzt nicht mehr zurückzukommen.
Sandgoist besaß das Los, das ihm rechtmäßig gehörte und
das er zum Verkauf stellen würde. Ein elender Wucherer
sollte nun Geld schlagen aus dem rührenden Lebewohl
eines Schiffbrüchigen! Nein, Sylvius Hog konnte darüber
nicht hinwegkommen.
Noch an demselben Tag suchte Sylvius Hog darüber
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noch ein Gespräch mit Frau Hansen herbeizuführen, ein
Gespräch, das an der Lage der Dinge zunächst zwar nichts
ändern konnte, aber das zwischen ihnen gewissermaßen
zur Notwendigkeit geworden war. Er stand dabei übrigens
einer sehr praktisch-nüchternen Frau gegenüber, die ohne
Zweifel mehr gesunden Menschenverstand als tieferes Ge-
fühl besaß.
»Sie tadeln mich also, Herr Hog?« fragte sie, nachdem
sie den Professor ganz nach seinem Belieben hatte ausre-
den lassen.
»Gewiß, Frau Hansen.«
»Wenn Sie mir darüber Vorwürfe machen, mich unbe-
sonnenerweise in schlecht auslaufende Geschäfte eingelas-
sen, das Vermögen meiner Kinder verscherzt zu haben, so
gebe ich Ihnen recht. Doch wenn Sie mir vorwerfen, so wie
ich es tat gehandelt zu haben, um mich zu retten, dann ha-
ben Sie unrecht. – Was könnten Sie darauf antworten?«
»Nichts.«
»Im Ernst gesprochen, sollte ich das Angebot Sandgoists
abschlagen, der doch schließlich 15.000 Mark für die Abtre-
tung eines Lotterieloses gezahlt hat, dessen höherer Wert ja
durch gar nichts begründet ist? Ich frage Sie noch einmal,
sollte ich das abschlagen?«
»Ja und nein, Frau Hansen.«
»Nein, hier kann’s nicht ja und nein heißen, Herr Hog,
sondern nur nein! Wenn in unserer Lage, die Sie ja ken-
nengelernt, die nächste Zukunft – ich gestehe, durch meine
Schuld – nicht gar so drohend erschienen wäre, gut, dann
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hätte ich Huldas Weigerung recht gut begriffen. Ja, ich hätte
eingesehen, daß sie sich um keinen Preis von diesem ihr
von Ole Kamp zugekommenen Los trennen wollte. Wenn
es sich aber darum handelte, binnen wenigen Tagen aus
dem Haus gejagt zu werden, in dem mein Mann die Au-
gen geschlossen, in dem meine Kinder das Licht der Welt
erblickten, dann hätte ich das nicht verstehen können, und
Sie selbst, verehrter Herr Hog, hätten an meiner Stelle nicht
anders gehandelt.«
»Und doch, Frau Hansen, doch!«
»Und was hätten Sie getan?«
»Ich würde eher alles versucht haben, als das Los zu op-
fern, das meine Tochter gerade unter solchen Verhältnissen
erhalten hatte.«
»Machen diese Verhältnisse es etwa wertvoller?«
»Das wissen Sie nicht und ich nicht, das weiß überhaupt
niemand.«
»O, das kann man denn doch beurteilen, Herr Hog! Auch
dieses Los ist weiter nichts, als ein Lotterielos, das 999.999
Mal zu verlieren und dagegen 1 Mal zu gewinnen Aussicht
hat. Legen Sie ihm deswegen einen besonderen Wert bei,
weil es in einer aus dem Meer aufgefischten Flasche gefun-
den wurde?«
Auf diese so gestellte Frage hatte Sylvius Hog freilich ei-
nige Mühe zu antworten. Er spielte die Sache daher wieder
auf die »Gefühlsseite« hinüber und sagte:
»Der Sachverhalt ist folgender: Ole Kamp hat Hulda in
dem Augenblick, wo ihm der Untergang drohte, das einzige
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Wertobjekt hinterlassen, das er noch auf der Welt besaß. Er
hat ihr sogar anempfohlen, am Ziehungstag mit diesem Los,
wenn es ein glücklicher Zufall ihr in die Hand spielte, in
Christiania gegenwärtig zu sein, und nun hat Hulda das Los
nicht einmal mehr in der Hand!«
»Wäre Ole Kamp zurückgekehrt«, bemerkte dazu Frau
Hansen, »so würde auch er nicht gezögert haben, das Los
an Sandgoist zu überlassen.«
»Das ist wohl möglich«, erwiderte Sylvius Hog, »er hatte
auch allein das Recht dazu. Was würden Sie ihm denn ant-
worten, wenn er nicht tot, nicht bei einem Schiffbruch um-
gekommen wäre, wenn er zurückkäme . . . schon morgen . . .
noch heute . . .«
»Ole wird nicht zurückkehren«, antwortete Frau Hansen
mit dumpfer Stimme. »Ole ist tot, Herr Hog, ist sicherlich
tot!«
»Das wissen Sie nicht, Frau Hansen!« rief der Professor
mit wirklich auffallend überzeugendem Ton. »Es sind sehr
umfassende Nachforschungen eingeleitet, um irgendeinen
Überlebenden
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