Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
des Schiffbruchs zu finden. Diese können ja
    glücken, können glücken, noch bevor jene Lotterie gezo-
    gen wird. Sie haben also nicht das Recht zu sagen, daß Ole
    tot sei, wenigstens nicht, bevor Beweise beigebracht wor-
    den sind, daß er bei dem Unfall der ›Viken‹ umgekommen
    ist. Wenn ich jetzt nicht mit derselben Zuversicht gegen
    Ihre Kinder spreche, so geschieht es, weil ich in ihnen keine
    Hoffnungen wachrufen möchte, die ja zur schmerzlichsten
    Enttäuschung führen könnten. Vor Ihnen aber, Frau Han-
    — 211 —
    sen, spreche ich aus, was ich denke. Und daß Ole tot sei . . .
    nein, ich kann es nicht glauben . . . nein, ich will es nicht
    glauben . . . nein, ich glaub’ es eben nicht!«
    Auf dem Gebiet, nach dem das Gespräch jetzt hinüber-
    gespielt war, konnte Frau Hansen mit dem Professor nicht
    mehr streiten. Die im Grunde ebenfalls etwas abergläu-
    bische Norwegerin schwieg also und senkte den Kopf, als
    fürchte sie, Ole jeden Augenblick vor sich auftauchen zu se-
    hen.»Überdies, Frau Hansen«, fuhr Sylvius Hog fort, »hat-
    ten Sie, ehe in dieser Weise über Huldas Lotterielos verfügt
    wurde, eine sehr einfache Sache zu tun, was Sie jedoch un-
    terlassen haben.«
    »Was meinen Sie damit, Herr Hog?«
    »Sie hätten sich erst an Ihre Freunde, an die Freunde Ih-
    rer Familie wenden sollen; diese hätten sich gewiß nicht
    geweigert, Ihnen zu helfen, indem Sie sich entweder bei
    Sandgoist für Sie verbürgten oder Ihnen den notwendigen
    Betrag verschafften, um jenen zu befriedigen.«
    »Ich habe keine Freunde, die ich um einen solchen Lie-
    besdienst hätte angehen können, Herr Hog.«
    »Darin dürften Sie wohl irren, Frau Hansen, denn ei-
    nen solchen kenne ich selbst, der Ihrem Wunsch ohne Zö-
    gern, schon aus herzlicher Dankbarkeit, gern entsprochen
    hätte.«
    »Und wer wäre das?«
    »Sylvius Hog, der Abgeordnete des Storthing.«

    — 212 —
    — 213 —
    Frau Hansen konnte darauf nichts erwidern und be-
    gnügte sich mit einer Verbeugung vor dem Professor.
    »Doch was geschehen ist, ist leider geschehen«, ergriff
    Sylvius Hog wieder das Wort. »Ich würde Ihnen also dank-
    bar sein, Frau Hansen, wenn Sie dieses Gespräch, auf das
    zurückzukommen ja doch nutzlos wäre, gegen Ihre Kinder
    nicht erwähnen wollten.«
    Damit gingen beide auseinander.
    Der Professor hatte seine gewöhnliche Lebensweise wie-
    der aufgenommen und seine täglichen Spaziergänge wieder
    begonnen. Während weniger Tage besuchte er mit Joel und
    Hulda die Umgebung von Dal, ohne dabei jemals zu weit
    zu wandern, um das junge Mädchen nicht zu übermüden.
    Ins Zimmer zurückgekehrt, beschäftigte er sich mit seinem
    stets sehr umfassenden Briefwechsel und sandte ein Schrei-
    ben nach dem anderen nach Bergen oder nach Christiania.
    Er bemühte sich, den Eifer aller derjenigen noch weiter an-
    zufeuern, die jetzt den menschenfreundlichen Versuch der
    Nachforschung nach der verschollenen ›Viken‹ unternah-
    men. Sein ganzes Leben ging auf in dem einen Gedanken,
    Ole zu finden, nur Ole wieder aufzufinden.
    Er hielt es auch für notwendig, noch einmal für 24 Stun-
    den nach auswärts zu gehen, gewiß aus einem Grund, der
    mit jener, die Familie Hansen so nah berührenden Angele-
    genheit in innigem Zusammenhang stand; er bewahrte je-
    doch wie immer das strengste Stillschweigen über das, was
    er darin tat oder tun ließ.
    Die Gesundheit der so schwer geprüften Hulda machte
    — 214 —
    nur sehr langsam einige Fortschritte. Das arme Mädchen
    lebte nur noch von der Erinnerung an Ole, aber die Hoff-
    nung, die sich zuerst noch mit dieser Erinnerung verband,
    wurde von Tag zu Tag schwächer. Und doch sah sie ne-
    ben sich die beiden Wesen, die sie auf der Welt am meis-
    ten liebte, und eines derselben unterließ es niemals, ihr Mut
    zuzusprechen. Doch genügte das schon allein? Galt es nicht
    auch, sie um jeden Preis zu zerstreuen? Wie sollte man sie
    aber von den Gedanken, die ihre ganze Seele erfüllten, ab-
    lenken, von den Gedanken, die sie wie mit Eisenketten an
    den Schiffbrüchigen der ›Viken‹ schmiedeten?
    So kam der 12. Juli heran.
    Binnen 4 Tagen sollte die Lotterie der Schulen von Chris-
    tiania gezogen werden.
    Selbstverständlich war die von Sandgoist in die Hand ge-
    nommene Spekulation inzwischen zu allgemeiner Kenntnis
    gekommen.
    Auf sein Betreiben und im bezahlten Auftrag des Wu-
    cherers hatten die Tagesblätter die Anzeige gebracht, daß
    das »berühmte, vom Himmel gesandte Los« mit

Weitere Kostenlose Bücher