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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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blass und hatte Ringe unter den Augen, aber tot ? Nein, tot war er auf keinen Fall.
    »Warum hast du vorhin so getan, als würdest du mich nicht kennen?«, fragte ich noch einmal. »Was machst du überhaupt hier?« Ich hatte einen Kloß im Hals.
    Er zuckte die Achseln. »Ich war so überrascht, dass Olivia plötzlich vor mir stand. Ich bin ins Hotel gekommen, weil ich dir was sagen muss.«
    »Warum rufst du mich dann nicht einfach an?«
    Er sah überrascht aus. »Ach so … Ich benutze mein Handy eigentlich nie.«
    War er etwa doch ein Geist? Aus einer Zeit, in der das Handy noch nicht erfunden war?
    Mein iPhone klingelte. Es war Olivia. »Wir sind schon alle unten und warten auf dich. Brauchst du noch lange?«
    »Ich hab’s mir anders überlegt. Ich bleibe hier. Die lassen mich sowieso nicht in den Club, weil … weil ichim Moment einfach zu bekannt bin. Jeder weiß aus der Zeitung, dass ich erst sechzehn bin. Außerdem bin ich todmüde. Der Tag war anstrengend.«
    »Schade. Na dann bis morgen.«
    Ich drehte mich wieder zu Raf um. Ich brauchte einen Beweis, dass er nicht tot war. Ich musste ihn anfassen.
    Ich ging langsam auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm. Er fühlte sich durchaus lebendig an, höchstens ein bisschen kalt. Ich strich ihm über die Wange und schaute ihm ins Gesicht. Die gelbliche Schwellung war immer noch nicht restlos verblasst. Geister hatten keine Veilchen, oder? Auf seiner Stirn entdeckte ich einen winzigen Pickel. Auch das sprach gegen die Geistertheorie, fand ich.
    »Ich muss dir was sagen, Lia …«, fing er an – und dann küsste er mich. Falls er doch ein Vampir war, wäre jetzt die ideale Gelegenheit gewesen, mich zu beißen. Ich schloss die Augen und wartete darauf, dass er mir die Zähne in den Hals bohren würde …
    Aber ich spürte nur seine weichen Lippen, und dann seine Zunge, und seine Hände auf meinem Rücken.
    Da fiel mir endlich ein, wie ich ein für alle Mal feststellen konnte, ob Raf ein Mensch aus Fleisch und Blut war oder nicht.
    Schließlich fühlte ich mich bereits wie dreiundzwanzig. Das Hotelzimmer war so stylish wie aus einer Hochglanzzeitschrift, sozusagen ein Vorgeschmack auf meine künftige Wohnung, mein künftiges Leben – zu dem Raf dazugehörte. Er war auf wundersame Weise hier erschienen. Es war fast zu schön, um wahr zu sein.
    Wir lösten uns voneinander.
    »Ich … ich muss dir was erklären, Lia«, sagte er wieder. »Als wir auf dem Flohmarkt waren, da …« Er schaute sich noch einmal im Zimmer um, betrachtete das Bett mit dem silbern schimmernden Satinüberwurf und der strahlend weißen Bettwäsche, das Sofa mit den violetten Kissen, den riesigen Flachbildschirm. Ich musste an das trostlose Zimmer über dem Internetcafé denken, an die alte Matratze, an seine Pläne, irgendwann die Wände zu streichen …
    »Ich bin echt froh, dass du hier bist«, sagte ich.
    »Ich wollte dir erklären …«, fing er zum dritten Mal an, aber ich brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. Seine Lippen waren kühl und er strich mir so behutsam über die Wange, als müsste er sich vergewissern, dass ich wirklich da war und nicht gleich wieder verschwinden würde.
    Wir küssten uns. Wir holten Luft. Wir küssten uns wieder. Keine Vampirzähne. Kein zombiemäßiger Modergeruch. Keine Engelsflügel unter dem T-Shirt.
    »Willst du was trinken?«, fragte ich. »Da drüben ist die Minibar.«
    Der kleine Kühlschrank enthielt Whisky, Rum und Wein in Miniflaschen, außerdem eine Tüte Chips und einen Riegel Toblerone-Schokolade. Ich mochte Toblerone, aber sie ließ sich immer so schwer in Stücke brechen. Was würde eine Dreiundzwanzigjährige jetzt trinken? Oder ein Geist? Ich schraubte ein Fläschchen Bacardi auf, goss den Inhalt in ein Glas und füllte das Glas mit Cola auf.
    »Ich darf eigentlich keinen …« Raf unterbrach sich.»Cool!« Er brach die Toblerone mit einer Hand durch (»Reine Übungssache«, setzte er geheimnisvoll hinzu). Dann nahm er die zweite Miniflasche Bacardi aus dem Kühlschrank, verdünnte das Zeug aber nicht, sondern kippte es in einem Zug runter. Anschließend küsste er mich wieder. Er schmeckte scharf nach Alkohol und süß nach Schokolade.
    Bald knutschten wir richtig, und es dauerte auch nicht lange, bis wir zu dem Schluss kamen, dass es auf dem Bett bequemer war. Ich war gleichzeitig total entspannt (lag das am Alkohol?) und hellwach und aufgekratzt. Ich wusste genau, was ich wollte. Ich hatte noch nie etwas so sehr gewollt.
    Ich wollte

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