Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Raf – tot oder lebendig. Ich wollte mich ausziehen. Ich wollte ihn spüren.
Ich zog mein Oberteil aus und schob sein T-Shirt hoch. Als wir uns aneinanderschmiegten, merkte ich, dass er zitterte, wie jemand, der Angst hat. Seine Augen waren geschlossen. Ein Adrenalinschub durchflutete mich.
Ich hatte es geschafft, dass ein Junge wie Raf vor Verlangen zitterte! Ich konnte alles schaffen! Alles!
Ein ungeheures Hochgefühl überkam mich. Ich fand nicht nur Raf begehrenswert, sondern auch mich selbst. Ich genoss es, mich erwachsen und sexy zu fühlen und mit dem Mann meiner Träume allein zu sein, so wie in meinen Zukunftsfantasien. Ich genoss das Hotelzimmer, den Bacardi, unsere Bewegungen. Ich ließ mich ganz bewusst auf das Abenteuer ein – mit allen seinen Gefahren.
Wir fielen aufs Bett, auf die kühlen Laken, klammertenuns aneinander, streichelten einander, waren uns ganz nah. Ich prägte mir alles an ihm ein: seinen Geschmack, seinen Geruch, die Art, wie seine Haut sich spannte, als ich ihm das Haar aus der Stirn strich, den verzückten Ausdruck auf seinem Gesicht, als er mich anschaute.
»Du bist wunderschön, Lia«, sagte er leise. »Wunderschön.«
Dann konnte uns nichts mehr aufhalten – keine Eltern, keine kleinen Schwestern im gleichen Zimmer oder große Brüder vor der Tür, keine glotzenden, tuschelnden Mitschüler. Wir waren allein. Niemand konnte uns daran hindern, einander zu erforschen, einander anzufassen, uns im Einklang zu bewegen …
»Lia«, hauchte er mir ins Ohr. »Lia … ich hab kein … du weißt schon … ich hab nichts dabei. Ich wusste ja nicht … Oh Lia …«
»Das macht nichts.« Ich hob mein Becken ein bisschen, fasste nach unten, fand ihn, hielt ihn, zeigte ihm den Weg. »Das macht nichts. Alles ist gut.«
Und genauso war es. Es war gut und richtig und das Tollste und Überwältigendste, das ich je erlebt hatte.
Außer meinem Lottogewinn. Mist!
24
Geld löst eben doch nicht alle Probleme.
Hinterher kuschelten wir. Ich fühlte mich ein bisschen benebelt, fast wie beschwipst. Am liebsten hätte ich gelacht und nicht mehr aufgehört, aber das verkniff ich mir. Ich konnte aber nicht verhindern, dass ich breit grinste wie eine Irre. Ich konnte Raf immer noch ganz deutlich spüren, wie lauter kleine Echos.
Ich drehte mich zu ihm um und schaute ihn an: die großen Augen mit den langen Wimpern, das leicht schiefe Lächeln … keine Spur von Traurigkeit mehr. Er strahlte vor Glück wie ein Kind, wenn die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet werden.
Wäre er ein Geist gewesen, hätte er es sicherlich genossen, sich durch und durch lebendig zu fühlen. Aber wie ich so neben ihm lag, seine Wärme spürte und seinen Geruch einatmete, war ich überzeugt, dass Olivia irgendetwas gründlich missverstanden hatte.
Ich brach die Stille. »Das war schön.«
Er nahm meine Hand und küsste die Handfläche. »Unglaublich schön.«
Ich streckte mich. »Ich fühle mich so lebendig !«, sagte ich und wartete gespannt.
Er küsste mich auf den Hals und erwiderte undeutlich: »Ich hab mich noch nie so lebendig gefühlt.«
Ich zog ihn an mich, spürte seine weiche Haut unddie harten Knochen darunter … so stark und zugleich so zerbrechlich.
»Du hättest mir vorher Bescheid geben sollen, dass du ins Hotel kommst«, sagte ich.
»Ich … ich wollte nicht kommen. Nicht, dass du denkst, ich verfolge dich wie ein Stalker oder so. Aber ich muss unbedingt mit dir über die Sache auf dem Flohmarkt reden. Ich hab Schiss, dass er zu dir geht.«
»Wer?«
»Er. Nick. Mein Vater.«
»Der Typ ist dein Vater?« Ich war platt, dabei hätte ich es mir eigentlich denken können.
»Wenn er dich anspricht, darfst du nicht darauf eingehen. Hör gar nicht hin, was er sagt. Er … er meint es nicht ehrlich.«
»Aha.« Ich hatte keine Ahnung, wovon Raf redete, aber er sah plötzlich wieder so niedergeschlagen aus, dass ich ihn küssen musste.
»Du, Raf … Olivia meinte …« Wie formulierte ich es am besten? »Olivia meinte vorhin, dass du mit ihrem Bruder auf der Schule warst, und …«
»Freddie, die Sportskanone.« Er spuckte den Namen aus wie etwas Ekliges.
»Ich dachte, du warst mit ihm befreundet? Du hast doch die Ferien bei ihnen verbracht.«
»Wir waren nicht befreundet. Ich habe bei allen meinen Mitschülern mal die Ferien verbracht – reihum. Weil die Eltern Mitleid mit mir hatten.«
Er rutschte von mir weg. Am liebsten hätte ich mich auf ihn geworfen und ihn ganz fest an mich gedrückt,
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