Ein Macho auf Abwegen
Klasen! Das ist nicht Ihre Aufgabe!“ Er war von seiner
Moni-Mission zurückgekehrt. „Ja, ja, ich weiß, Herr Stevens. Ich möchte aber,
dass Sie jetzt in Ruhe frühstücken! Sie sind ja das reinste Nervenbündel!“
„Dafür habe ich heute keine Zeit, Frau Klasen!“ Er freute
sich nicht über ihre Einladung. Das war auch nicht normal! Sonst ließ er sich
nie zweimal bitten. „So viel Zeit muss aber sein, Herr Stevens! Kommen Sie! Der
Kaffee ist ja schon gleich fertig!“
Hatte er dieser Frau nicht gerade eindeutig erklärt, keine
Zeit für ein ruhiges Frühstück zu haben? Was war das nur für ein fürchterlicher
Tag! Hörte denn heute kein Mensch mehr auf das, was er sagte? Wer war er? Ein
Trottel? Ein Weichei? Ein Schwächling, der sich von einem dummen Küken und
einer Angestellten auf der Nase herumtanzen lässt? Es reichte ihm. „Frau
Klasen! Ich habe für solche Sperenzchen keine Minute übrig, da meine Sekretärin
heute um Punkt achtzehn Uhr für jemanden anderes arbeiten muss!“ Er klopfte
unaufhörlich mit dem Finger auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr. „Hätten Sie
jetzt bitte die Freundlichkeit, sich an Ihren Arbeitsplatz zu begeben?“ Mit
einer ausladenden Bewegung wies er ihr die Richtung in den Keller. Christina
schaltete die Kaffeemaschine aus, nahm ihre Handtasche. „Na, dann eben nicht!“,
fauchte sie ihn im Vorbeigehen an.
Christina ging sofort durch in ihr Büro und schloss die Türe
hinter sich zu. Frankie Webber und die Techniker warteten schon im Studio. Sie
beobachtete die Männer durch die Glasscheibe. Die Stimmung war schlecht. Ihr
Chef schien alle mit seiner miesen Laune angesteckt zu haben. Sie hörte zwar
nichts, konnte jedoch die Mimiken eindeutig interpretieren. Stevens fuchtelte
extrem ungeduldig herum und brüllte die Männer wild gestikulierend an. Er
wuselte sich fahrig in seinen Haaren herum. Dieses Mal war es kein
Verlegenheitswuscheln, sondern es schien der Ausdruck reinster Verzweiflung und
Strapaze zu sein. Er sah elend aus, körperlich kraftlos und ausgemergelt.
Scheinbar kamen die Herren über Stunden hinweg zu keinem nutzbringenden
Resultat.
Christina schaute auf ihre Uhr. Es war bald Fünf, und
Stevens machte keinerlei Anstalten seine Arbeit zu unterbrechen, um sie nach
Hamburg zu fahren. Er hat es versprochen, dachte sie und packte ihre Sachen
zusammen, um Feierabend zu machen. Er bemerkte noch nicht einmal, dass sie
jetzt genau neben ihm stand.
Sie räusperte sich einmal kurz. „Ja? Was denn?“, herrschte
er sie hektisch an. „Herr Stevens. Es ist schon nach fünf. Ich muss um sechs in
Hamburg sein.“ Er sah sich gar nicht zu ihr um. „Ja, ja! Gleich!“
„Wenn ich pünktlich sein will, muss ich jetzt los, Herr
Stevens!“
Er winkte ab. „Spä-ter, Frau Klasen. Ein paar Minuten noch!“
Wer wusste schon, wie lange bei ihm heute ein paar Minuten
wären? Er drehte unentwegt Knöpfe, schob Regler rauf und runter und sprach mit
dem Techniker. „Vielleicht sollten wir hier noch ein Echo draufgeben. Mach’
doch mal! ... Ne! Das ist auch nichts! Wie soll er in dieser Tonlage ...“
Christina quatschte ihm einfach dazwischen. „Ich bin weg, Herr Stevens! Ich
rufe mir ein Taxi!“ Das würde sie ein Vermögen kosten, aber sie wollte weg, und
das möglichst sofort. Wie von der Tarantel gestochen wirbelte er zu ihr herum.
„Frau Klasen! Hatten wir nicht abgemacht, dass ich Sie fahre?“
„Ja, eigentlich schon, aber ...“
„Nichts aber! Dann mache ich das auch! Ich hatte Sie
lediglich um ein paar Minuten gebeten! Wäre das eventuell noch drin?“ Sein
funkelnder Blick ließ buchstäblich keinen weiteren Kommentar ihrerseits mehr
zu. Er schien mit den Nerven am Ende zu sein. Christina sagte nichts mehr,
blitzte jedoch hartnäckig zurück. „Okay! Pause, Jungs! Ich muss nach Hamburg!“
Die Stimmung im Wagen konnte nicht übler sein. Wie konnte
diese Frau ihn jetzt mitten aus dieser Problemlösung herausreißen? Er hatte
morgen Abgabetermin für Frankies Album und im Stillen gehofft, sie hätte
mitbekommen, unter welchem enormen Druck er stand und doch noch im Frauenhaus
angerufen. Hätte er ihr das doch heute früh bloß nicht versprochen! Er hatte
die Zeit echt nicht übrig! Wenn er nicht bis morgen früh fertig wäre, würde ihn
das einen Haufen Geld kosten. Das wusste die Klasen doch! Noch eine Nacht ohne
Schlaf würde er nicht mehr schaffen! Warum hatte er sie nicht einfach im Verlag
gelassen? Er verfluchte sich selber und machte auch
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