Ein Macho auf Abwegen
Gesicht verlieren musste. Rein oberflächlich
gesehen versuchte sie sich total unbeeindruckt zu geben. Porentiefrein betrachtet
war sie sich ihrer momentanen Niederlage allerdings sehr bewusst. „Na gut, Herr
Stevens, wenn Sie darauf bestehen, komme ich halt mit. Aber ...“
„Was? Aber?!“, bellte er tollwutschäumend. Ihr Körper bebte,
und Christina kramte aus dessen verborgendsten Winkeln ihren bescheidenen Rest
Selbstvertauen hervor, damit ihre Stimme nicht die gleiche Zappelvorstellung
bot wie ihre Beine es gerade taten. „Aber nur unter einer Bedingung.“
Er ließ sich saft- und kraftlos in seinen Sessel
zurückfallen und zog die Augenbrauen in Richtung Scheitel, sodass sie oben
beinahe zusammenstießen. Jetzt hatte er doch diese Runde schon fast gewonnen.
Das wäre doch wenigstens ein Höhepunkt an diesem bescheidenen Montagmorgen
gewesen. Die Klasen war doch gerade eben fast K.o. zu Boden gegangen, und nun
stand die, einfach so, wieder auf den Füßen und war dabei, Oberwasser zu
gewinnen. „Und die wäre?“ Er notierte die heftige Entschlossenheit in ihrem
Gesicht. „Ich muss um Punkt achtzehn Uhr im Frauenhaus sein!“ Er legte seinen
rechten Zeigefinger an die Lippen und schaute sie von unten herauf an, während
er nachdachte, wie er jetzt am besten reagieren sollte.
Christina erkannte an seiner Körperhaltung eine gewisse
Kraftlosigkeit nebst einem kleinen Schimmer von Resignation in seinen Augen.
Hatte er da hinter ihrem letzten Satz ein stummes,
forderndes und oberzickiges „sonst ...“ gehört? Sie war fest entschlossen im
Verlag zu bleiben, wenn er ihr jetzt nicht auf irgendeine Weise entgegenkäme.
Wollte er sich diese Blöße geben? – Nein, das wäre das Allerletzte, was er
wollte! Er durfte seine Autorität von ihr nicht noch mehr untergraben lassen.
Diese Frau Klasen hatte ihren eigenen Kopf, besser gesagt ihren persönlichen
Dickschädel, und erstaunlicherweise gefiel ihm das. Seine Pupillen verwandelten
sich nun wieder in ein etwas beruhigenderes blau zurück. „Geht in Ordnung! Ich
werde Sie pünktlich dort abliefern! Verspreche ich Ihnen, Frau Klasen!“
Auf dem Weg in die Tiefgarage legte Stevens ein solches
Tempo vor, dass Christina ihm mit seinem Stechschritt kaum folgen konnte. Er
saß bereits im Wagen und hatte den Motor schon laufen, als sie ankam. Kaum
hatte sie die Autotüre geschlossen, als er auch schon aus der Parklücke schoss.
Dafür, dass sie sich in einem Parkhaus bewegten, gab er viel zu viel Gas. Kurz
vor den engen Kurven führte er Vollbremsungen durch, sodass die Reifen auf dem
glatten Untergrund nur so quietschten. Man hätte diese Geräuschkulisse durchaus
auf Band aufnehmen und ungeschnitten an jeden billigen Amikrimi verkaufen können.
Er fuhr an, dass die Räder dabei durchdrehten und bremste, dass Christina froh
war, angeschnallt im Wagen zu sitzen.
Auf der Straße änderte er seinen Fahrstil nicht wesentlich,
und Christina wurde es langsam zu bunt. Sie räusperte sich einmal kräftig, um
ihn diskret darauf hinzuweisen, dass ihr sein
Ich-habe-heute-schlechte-Laune-Gehabe mächtig auf die Nerven ging. Marc
verstand ihren wortlosen Hinweis natürlich sofort und hatte schon den kleinen
Satz „Wenn Ihnen meine Fahrweise nicht passt, können Sie ja aussteigen und zu
Fuß weitergehen!“ auf den Lippen, doch den verkniff er sich augenblicklich. Er
sagte lieber gar nichts.
Christina fragte sich, welche Laus ihm über die Leber
gelaufen sein musste, um in solch einer lausigen Stimmung zu sein. Ob er letzte
Nacht keinen Sex hatte? Hatte ihm am Wochenende etwa ein williges Küken in
seinem Stall gefehlt? Vor lauter kreativen Schaffens war der spitze Hahn nicht
zum Hühneraufreißen gekommen! Er besaß doch ein Handy, durch das er sicherlich
nur einmal hätte laut krähen müssen, um eine ganze Schar des Geflügels in
seinem Gehege zu versammeln. Der Ärmste! Und jetzt hatte er gleichermaßen Stau
wie die A7 vor dem Elbtunnel. Hormonstau oder Spermastau? Na ja, alles, was
sich in einem Mann ebenso stauen konnte. Oder hatte er seine Tage? Es gab diese
Behauptung tatsächlich, dass Männer in regelmäßigen Abständen gewissen
Hormonschwankungen unterlagen. Oder er befand sich in den Wechseljahren! Sollte
es ja geben, in seinem Alter! Vielleicht lag es auch daran, dass er heute noch
keinen Kaffee getrunken und aufgrund dessen auch keinen Stuhlgang hatte. Alles
war möglich. Sie konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie
selber die Ursache
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