Ein Macho auf Abwegen
gehalten habe“, resümierte Christina nun doch ein wenig niedergeschlagen.
„Und jetzt sind Sie wütend und traurig. Sie sind bitter enttäuscht. Meine Güte,
Christina! Mussten Sie denn Ihre Stellung aufs Spiel setzen, nur für so ein
sinnloses Machtspielchen?“
„Wieso Machtspielchen? Was meinen Sie damit?“, fragte
Christina erstaunt. „Sie sind albern, wenn ich das mal so sagen darf. Sie
wollten ihm doch nur beweisen, was für eine starke Frau Sie sind. Halten Sie
Stevens wirklich für so beschränkt, dass er Sie nicht durchschaut hat? Er
musste Ihnen doch entgegenwirken! Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als auch
auf stur zu schalten! Sie haben sich doch gerade in der Letzen Zeit so gut mit
ihm verstanden. War das denn alles so nötig? Sie mögen diesen Mann doch,
Christina!“
Ihr standen die Tränen in den Augen. Natürlich mochte sie
ihn. Sie hatte ihn, bis heute früh im Büro, sogar sehr gerne. Offen zugeben
wollte sie das allerdings nicht. Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann ihn nicht
ausstehen! Wenn ich den nur sehe ...“ Inge Fink legte den Arm um sie und
lächelte besserwisserisch. „Christina, gehen Sie morgen zu ihm, und
entschuldigen Sie sich in aller Form für ihr starrköpfiges Benehmen! Vielleicht
hatte er heute wirklich nur einen schlechten Tag. Für diesen Streit ist nicht
nur er verantwortlich, Kindchen!“ Doch Christina blieb stur. „Ich gehe da nicht
mehr hin! Ich will diesen Kerl nie wieder sehen!“ Sie stand auf. „Ich muss los,
sonst ist die Bahn gleich weg.“
Auf dem Weg zur Bahnstation war sie zu der späten Stunde
alleine auf der Straße, und ihr flogen die Gedankenfetzen nur so durch den
Kopf. Der einzige Lichtblick dieses schlimmen Tages war Nicoles Riesenfreude
gewesen, als sie ihr das Autogramm gegeben hatte.
Christina war froh, dass sie jetzt in ihr Bett konnte, und
dieser Tag damit endlich zu Ende ginge. Hoffentlich kann ich auch durchschlafen!,
wünschte sie sich.
Sie hörte Schritte hinter sich und sah sich um. Die Person
war zu weit hinter ihr, und es war schon viel zu dunkel, um jemanden erkennen
zu können. Instinktiv lief sie schneller. Die Schritte hinter ihr erhöhten
ebenfalls ihr Tempo. Sie drehte sich noch einmal um. Jetzt war die Person
direkt hinter ihr. Die Gestalt war eindeutig ein Mann. Was wollte der Kerl? Sie
ahnte nichts Gutes und lief los. Doch plötzlich hielt er sie von hinten fest.
„Lassen Sie mich los!“, brüllte sie in die Dunkelheit. Der Mann riss sie grob
und ohne ein Wort zu antworten zu sich herum. „Was ...? Was wollen Sie?“,
fragte sie entsetzt. Er hatte sich eine schwarze Mütze mit Sehschlitzen über
den Kopf gezogen. Bevor sie endgültig begreifen konnte, was gerade mit ihr
passierte, traf sie ein dämonischer Schlag in den Bauch. Ein grauenhafter
Schmerz durchfuhr sie, und ihr blieb die Luft weg. Durch die wahnsinnige Wucht
des Schlages, krümmte sie sich wankend und war nicht mehr in der Lage, sich auf
den Beinen zu halten. Alles drehte sich um sie herum. Sie fiel zu Boden und
konnte gerade noch wahrnehmen, wie plötzlich ein Gegenstand auf sie
zuschnellte. Sie wurde am Kopf getroffen. Dadurch verlor sie endgültig das
Bewusstsein.
- 13 -
Ein Anwohner fand Christina bewusstlos und blutüberströmt
auf dem Bürgersteig liegend. Der Notarztwagen brachte sie in das Krankenhaus.
Die Polizei fand bei der Verletzten nichts, was auf ihre
Identität hätte hinweisen können, denn Christina war vollständig ausgeraubt
worden. So blieb den Beamten nichts anderes übrig, als die gesamte
Nachbarschaft mit einer nur mäßigen Personenbeschreibung des Opfers
abzuklappern. Sie gingen von Haus zu Haus, um die Anwohner nach der
schwerverletzten Frau zu befragen.
Früher oder später kamen sie auch beim Frauenhaus an. Die
Schutzmänner beschrieben der Heimleiterin das Überfallopfer. Weibliche Person,
ungefähr einen Meter siebzig groß, lange, dunkle Locken und über den Daumen
gepeilt Fünfunddreißig bis Fünfundvierzig Jahre alt. Genauere Angaben konnten
die Beamten nicht machen, denn das Gesicht der Namenlosen war kaum noch zu
erkennen gewesen. Die bewusstlose Person hatte einen schwarzen Hosenanzug mit
einem weißen Shirt darunter getragen.
Inge Fink gefror beinahe das Blut in den Adern: „Christina!
Es könnte meine Mitarbeiterin Christina Klasen sein! Oh, mein Gott! Wann genau
ist das passiert?“ Die beiden Polizeibeamten erklärten ihr, dass man
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